
© dpa/Hannes P Albert
Endlich wieder Profis am Werk? : Mit dem Chaosstart bricht Schwarz-Rot ein großes Versprechen
Weder Union noch SPD sind von der Koalition begeistert. Aber wenigstens solides Handwerk hat man den Bürgern zugesagt. Stattdessen: komplette Planlosigkeit. Das hätte nicht passieren dürfen.

Stand:
Dass diesem Anfang auch nur ein Hauch von Zauber innewohnen würde, hat immerhin niemand behauptet. Die neue Regierungskoalition ist ein Zweckbündnis, eingegangen unter beidseitigen Schmerzen. Das ist so klar wie akzeptabel.
Eines aber hat Schwarz-Rot versprochen: dass nach dem Ampel-Chaos endlich wieder Profis übernehmen. Menschen, die ihr Regierungshandwerk verstehen. Von Anpacken, Verantwortung, Ernsthaftigkeit ist permanent die Rede.
Die Vorgänge am Dienstag allerdings taugen nicht als Beleg dafür, dass aus diesem Versprechen etwas wird. Nachdem Friedrich Merz im ersten Wahlgang als Kanzler in spe durchgefallen war, brach im Bundestag Chaos aus.
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Falsche Gewissheiten bei denen, die informiert sein müssten
Es ist schwer zu glauben, mit welcher Plan- und Kopflosigkeit die folgenden Stunden verstolpert wurden. Weder die Spitzen der Koalition noch das Bundestagspräsidium kannten belastbar die Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte.
Von obersten Ebenen wurde die Gewissheit verbreitet, ein zweiter Wahlgang noch am Dienstag sei auf keinen Fall möglich. Das prägte zunächst alle Debatten, stellte sich aber bekanntermaßen als Fehleinschätzung heraus.
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Wann kann gewählt werden: vielleicht schon am Mittwoch – oder nicht vor Freitag? Braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um Fristen zu verkürzen? Oder müssen sogar alle Fraktionen zustimmen?
Niemand hatte belastbare Informationen. Juristen wurden hektisch in die Spur geschickt. Verantwortliche erklärten mit Verve, A sei richtig. Und legten nur wenig später mit genauso viel Überzeugung dar, natürlich gelte B.
All diese Debatten hätten in aller Ruhe nicht nur geführt werden können, sondern auch geführt werden müssen. Und zwar vor dem gestrigen Dienstag.
Schwarz-Rot ist allzu selbstgewiss in die Kanzlerwahl gegangen, und das hat sich bitter gerächt. Wenn sich ein als Person hochumstrittener Kandidat bei knappen Mehrheitsverhältnissen zur Wahl stellt, muss für den Fall, dass es schiefgeht, ein Plan B klar definiert sein. Diesen Plan B aber hat es erkennbar nicht gegeben.
Merz’ Fehlstart wird zwar auf oberflächlicher Ebene schnell in Vergessenheit geraten, wenn erst einmal der Regierungsalltag beginnt. Und doch ist sein Scheitern im ersten Wahlgang ohne Umwege in die Geschichtsbücher eingegangen, und politisch ist für Schwarz-Rot am Dienstag großer Schaden entstanden. Die Frage, ob diese Koalition sich eigentlich selbst vertraut, steht über allem.
Zu diesem politischen Schaden im engeren Sinne kommt der katastrophale Eindruck, was die handwerklichen Fähigkeiten betrifft, hinzu. Das ist mit Blick auf die gewaltigen Aufgaben, die Schwarz-Rot zu bewältigen hat, ebenfalls ein großes Problem.
Am Montag unterzeichneten die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag. In seiner kurzen Rede zu diesem Anlass versprach Friedrich Merz, Schwarz-Rot wolle „kraftvoll, planvoll, vertrauensvoll“ regieren.
Planvoll: Das hat vorerst nicht geklappt, vertrauensvoll auch nicht. Ohne Plan und Vertrauen aber nützt alle Kraft nichts.
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