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Der Berliner Bär vor der Berliner Stadtkulisse. (Tagesspiegel-Montage)

© Getty Images, IMAGO, Gestaltung: Tagesspiegel/Dessin

Expo oder Olympia? Beides! : Berlin sollte sich viel mehr zutrauen

Kai Wegner hat sich festgelegt: Berlin soll sich für die Olympischen Spiele bewerben – und nicht für die Expo. Damit bringt er völlig unnötig die halbe Stadt gegen sich auf.

Anke Myrrhe
Ein Kommentar von Anke Myrrhe

Stand:

Olympia für Berlin – das wäre ein Traum. Die Expo noch dazu? Erst recht! Und natürlich ginge beides. Wenn daraus jemand ein Konzept gemacht hätte. Eine gemeinsame Strategie, zeitlich entzerrt, in der man voneinander hätte profitieren können.

Stattdessen stehen sich nun zwei Bewegungen gegenüber, behindern sich gegenseitig, ja kämpfen inzwischen sogar teilweise offen gegeneinander. Und das, obwohl sie eigentlich das gleiche Ziel haben: Berlin voranzubringen. Denn das würden sowohl die Olympischen Spiele als auch die Expo.

Klar: Großereignisse kosten viel Geld, bringen Baulärm, Sperrungen und Unannehmlichkeiten, die nicht jedem Anwohner gefallen. Aber das gilt auch für jedes Straßenfest, jeden Marathon und jede beliebige Großbaustelle. Die langfristigen Effekte aber sind unbestritten: für die Infrastruktur, den öffentlichen Nahverkehr und im Falle Olympias zusätzlich durch Anmeldungen von Kindern in Sportvereinen, inklusive der Sanierung bestehender Sportstätten.

Die NOlympia-Bewegung belügt die Bevölkerung

Und ja, dazu gehören auch die berüchtigten Schulturnhallen, die fürs olympische Training gebraucht werden – anders als es die NOlympia-Bewegung behauptet. Man kann zweifelsfrei Argumente gegen Olympia finden, aber wer behauptet, die Spiele hätten „keinerlei positive Effekte für die Bevölkerung“, der lügt diese einfach an. Und muss den Sommer in Paris komplett verschlafen haben, um nicht zu sehen, was für eine positive Energie die Stadt und große Teile der Bevölkerung dort erfasst hat. Schon ein Bruchteil davon wäre wohltuend fürs Berliner Gemüt.

Gleiches gilt für die Expo: Wer in Hannover 2000 dabei war, wird sich erinnern, dass auch eine Weltausstellung diesen mitreißenden Effekt haben kann. In Berlin hat der übrigens bereits begonnen: Mit einer klugen Bewegung, die dezentral kleine Projekte überall in der Stadt zum großen Ziel Expo 2035 zusammenträgt und die Vision eines nachhaltigen Berlins in den Raum wirft.

Diese Bewegung hat der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nun ausgebremst. Berlin soll Vollgas geben für Olympia – was heißt: nicht für die Expo (auch wenn Wegner diese gar nicht explizit genannt hat, um sich vielleicht doch noch die politische Hintertür zum Expo-Pavillon offenzuhalten).

Viel Frust bei den Expo-Unterstützern

Es reichte, um Frust bei den Expo-Unterstützern auszulösen. Und einen Streit zu entfachen, den niemand gebrauchen kann. Denn die Stadt steht beim Kampf um die Großereignisse im internationalen Wettbewerb. Da kommt es auch darauf an, möglichst einheitlich, überzeugend und überzeugt aufzutreten.

Die Expo-Unterstützer wundern sich derweil: Wenn man sich schon entscheidet für ein Entweder-Oder, warum dann eigentlich für Olympia? Denn da ist die Konkurrenz riesig: Allein in Deutschland bewerben sich auch Hamburg, München und die Region Rhein-Ruhr.

Und bisher sieht es nicht nach einem Start-Ziel-Sieg für Berlin aus, eher im Gegenteil: Während die Expo-Bewegung seit mehr als drei Jahren umtriebig Unterstützer in der Stadtgesellschaft sammelt, ist die Olympiabewerbung gestartet wie ein Läufer, der vergessen hat, sich die Schuhe zuzubinden. Bei einem Langstreckenlauf kann man so etwas über die Strecke ausgleichen, aber diese Bewerbung müsste jetzt ein 100-Meter-Sprint sein. Und das ist leider keine deutsche Stärke.

Sportfan Kai Wegner möchte nun das „Feuer in die Herzen der Berliner bringen“. Dafür braucht er bei der derzeitigen Stimmung einen Flammenwerfer. Die Mehrheit der Berliner glaubt zumindest eher an die Expo. Und mit seiner klaren Priorität auf die Olympiabewerbung hat Wegner jetzt unnötig wichtige Akteure der Wirtschaft, der eigenen Partei und seines Koalitionspartners SPD gegen sich aufgebracht.

Vor allem Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey trommelt seit ihrem Besuch bei der Expo in Osaka vor ein paar Wochen für die Weltausstellung – und widersprach Wegner am Dienstag auf offener Bühne. Sie glaubt weiterhin, dass beides möglich wäre.

Wahrscheinlicher ist nach den vergangenen Tagen allerdings das Gegenteil: Dass Berlin durch den öffentlich ausgetragenen Streit am Ende nichts von beidem gelingt. Und damit hätten dann wirklich alle verloren.

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