
© Foto: dpa/Friso Gentsch
FDP vor der Niedersachsen-Wahl: Die Liberalen zwischen Credo und Krisenpolitik
Finanzminister Christian Linder mahnt – und gibt nach. Die FDP muss hoffen, dass die Wähler sie verstehen.

Stand:
Christian Lindner ist am Ende. Oder nicht? So viel wird über den Bundesminister der Finanzen und FDP-Bundesvorsitzenden geredet, an ihm herumkritisiert, dass man das mitunter meinen könnte. So ist es aber nicht. Daran wird die Niedersachsen-Wahl an diesem Sonntag auch nichts ändern.
Der Wahlausgang ist für alle Parteien wichtig, für die SPD, die CDU, die Grünen, alle müssen kämpfen, um Prozente und Bedeutung. Sie müssen ihre Krisen dämpfen oder ihre Chancen wahren, wieder zu regieren, im Land und im Bund. Für die FDP ist es allerdings schon leidige Tradition, dass es immer mal wieder um ihre Existenz geht.
Die letzten Landtagswahlen waren ja auch nicht eben erfolgreich, da möchte man sich sicher Besseres als im Saarland und in Nordrhein-Westfalen vorstellen. Nicht rausfliegen und dann in die Regierung kommen, darum geht es, für die FDP in Niedersachsen wie für Lindner.
Experten schließen aus den Zahlen, dass die Krise womöglich gar nicht so groß wird.
Stephan-Andreas Casdorff
Warum? Weil es im Bund schwierig geworden ist und das ausstrahlt. Was die Freidemokraten so alles mitmachen! Da werden – als eines von vielen Beispielen – Schulden auf Schulden getürmt. Und mag der Finanzminister auch an der Schuldenbremse festhalten, es wirkt nicht so.
Im Gegenteil: Es wirkt, als ob die Republik ungebremst Geld ausgäbe. Was natürlich allein schon den Wirtschaftsliberalen schwer zu schaffen macht, die gerne einen rigideren Kurs hätten. Oder, man kann es auch positiver sagen: einen Kurs, bei dem vorher erwirtschaftet wird, was der Staat dann ausgibt.
Nur ist es andererseits noch nicht ausgemacht, dass die Schuldenpolitik, von der FDP mitgetragen, am Ende keinen Erfolg bringt. Denn „die Wirtschaft“ sind wir, sind Menschen, sind Unternehmen, Verbraucher.

© Foto: dpa/Michael Matthey
Und wer soll konsumieren, wenn kein Geld dafür da ist? Oder wer soll heute investieren, wenn niemand weiß, wie es morgen weitergeht, mit den Lieferketten und all dem, was zurzeit so unendlich schwierig zu sein scheint. Heißt: Würde die FDP sich hier verweigern, wäre es auch nicht recht.
Das rettet Lindner vorerst, in beiden Ämtern. Zumal es Experten gibt, die sagen: Deutschland am Abgrund? Nein. Die Wirtschaft schmiert ab? Nein. Die Arbeitslosigkeit steigt? Nein. Die Experten schließen aus den Zahlen, dass die große Krise womöglich gar nicht so groß wird. Eher gefühlt.
Damit steckt die FDP allerdings in einem klassischen Dilemma. Bleibt sie sich treu, stur treu, kann das richtig und falsch zugleich sein. Die FDP, genauer: Lindner hat sich par ordre du mufti für sie zur Flexibilität entschieden.
Unabhängig davon muss die Partei aber schon ein paar Sachen tun und unterlassen. Das holprige Regieren in Berlin etwa, das muss aufhören; die Wahlkämpfer in Niedersachsen, die aus dem Bund angereist waren, wurden damit nämlich ganz schön traktiert. Außerdem sollte sich die FDP nicht zu viel mit Fehlern der anderen aufhalten.
Vordringliche Aufgabe ist, zu erklären, wie sich die riesigen Ausgaben rechnen und mit solider Finanzpolitik zusammenpassen, überhaupt mit Zukunftspolitik auf allen Feldern. Otto und Erna Normalverbraucher müssen das verstehen können; wir sollen das doch mitmachen. Lindners Freidemokraten aber können da gerade nur hoffen, dass ihr Wechsel auf die Zukunft nicht platzt. Die Frage ist: Wo steht die Mehrheit ihrer Wähler:innen? Eine Antwort bekommt die FDP an diesem Sonntag. Die anderen gleich mit.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false