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Gastbeitrag zum Elysée-Jubiläum: Frankreich und Deutschland: Ziemlich bessere Freunde

Was Deutsche und Franzosen voneinander lernen können: Die Deutschen begrüßen sich immer öfter mit einer „Bise“ und in den französischen Geschichtsbüchern wird neuerdings über die Gräueltaten im Algerienkrieg berichtet.

Ein Klischee über Deutsche und Franzosen: Lässig gekleidet treffen sich die Deutschen im Biergarten, alle sind pünktlich. Die Franzosen lassen gerne auf sich warten, brauchen mehr Zeit zum Anziehen, sie wollen schließlich „chic“ sein, schlürfen dann bei einem langen Pläuschchen an ihrem Aperitif.

Als Deutsch-Franzosen, die beide Länder kennen, können wir bestätigen, dass diese Länderklischees gar nicht so übertrieben sind, wie sie klingen. Die Franzosen sind sehr gesellig, verbringen viel Zeit mit Freunden, mit denen sie gerne Karten oder Boule spielen, oder einfach stundenlang gemeinsam essen. Sie sind offener zueinander, scheuen sich nicht vor Nähe und davor, Komplimente und Kosenamen zu vergeben, während es einem Deutschen schwer fällt, eine Frau gleich „ma chérie“ zu nennen. Ein Deutscher braucht einen gewissen Abstand, ihm sind Sachen wie Regelmäßigkeit, Ruhe und Gemütlichkeit wichtiger.

Die Franzosen sind Genießer, nicht umsonst gibt es das Sprichwort „Leben wie Gott in Frankreich“. Die Franzosen sind stolz auf ihr Land, kein Wunder: schöne Landschaften, angenehmes Wetter, leckerer Wein und vorzügliche Speisen. Allerdings kann man es mit dem Patriotismus auch etwas übertreiben. Wir sind in Deutschland aufgewachsen, und wir können nicht immer nachvollziehen, dass die Franzosen ihre Heimatliebe so deutlich zeigen. Das liegt daran, dass in Deutschland, seit dem Nationalsozialismus, Patriotismus als unmoralisch gilt.

Der französische Nationalfeiertag am 14. Juli ist von viel größerer Bedeutung als der in Deutschland, es findet eine große Militärparade auf den Champs-Elysées statt, überall ist die Tricolore zu sehen. Doch nicht nur bei Großereignissen macht sich dieses Phänomen bemerkbar, sondern auch im Alltag. Sieht man sich zum Beispiel die 20-Uhr-Nachrichten auf den öffentlichen Sendern an, erfährt man zuerst, auf welchem französischen Campingplatz das Wasser knapp ist, bevor man sich mit der Dürre in Äthiopien befasst. Man kann es den Franzosen aber auch nicht übel nehmen, im Laufe seiner langen Existenz hat sich im Land ein starkes Nationalgefühl entwickelt.

Wir gehen auf das Französische Gymnasium in Berlin und im Unterricht benutzen wir französische Erdkunde- und Geschichtsbücher. Der Lehrplan ist stark nach Frankreich ausgerichtet, heikle Themen wie der Algerienkrieg oder das Vichy-Frankreich im Zweiten Weltkrieg fanden lange Zeit keine Erwähnung in den Büchern. Das französische Schulsystem fördert die Konkurrenz unter Schülern. Man wird ständig mit den anderen verglichen, es werden zum Beispiel Ranglisten mit Noten veröffentlicht. Ein Auslandsjahr nach dem Abi zu machen, ist in Frankreich schlecht angesehen. Man fängt am besten direkt mit der Ausbildung oder dem Studium an. Nicht jeder ist diesem Leistungsdruck gewachsen, aber es gibt auch positive Seiten, man ist dadurch besser auf die Zukunft, auf das aktive Leben vorbereitet.

Durch die Globalisierung hat sich vieles verändert. Vor allem die Jugendlichen gucken dieselben Filme, hören dieselbe Musik, tragen dieselben Marken und essen bei denselben Fast-Food-Ketten. Längst hört man in Frankreich nicht mehr nur Chansons oder in Deutschland nur Schlager. Die Deutschen lieben französische Filme wie „LOL“ oder „Ziemlich beste Freunde“, Franzosen wählen Deutsch als Fremdsprache, um die Texte von Rammstein zu verstehen.

Von der engen Beziehung zum Nachbarland, die es seit dem Elysée-Vertrag gibt, konnten beide Länder profitieren: Die Deutschen haben ihre Berührungsängste überwunden und begrüßen sich immer öfter mit einer „Bise“ und in den französischen Geschichtsbüchern wird neuerdings über die Gräueltaten im Algerienkrieg berichtet und die Geschichte des deutschen Sozialismus aufgegriffen.

Die Autoren sind Schüler der 12. Klasse des Französischen Gymnasiums in Berlin. Sie nehmen am Schülerprojekt Grand méchant loup teil (www.méchant-loup.schule.de).

Alina Fetting, David Spier

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