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Die weibliche Seite der Fußball-EM: Frauenfußball: EM mit Waschmaschine

Auf viele Frauen übt die Zeit der Fußball-Europameisterschaft eine ganz eigene Faszination aus. Sei es im Familienleben oder beim Kauf einer Waschmaschine.

Stand:

Meine Schwägerin hat die EM kapiert. Sie hat Samstagnacht, Deutschland-Portugal, eine Waschmaschine bei Ebay ersteigert. Für 40 Euro. Halbes Jahr alt. Abgeholt am Montagabend, England-Frankreich. Straßen waren schön leer. Hat natürlich auf die Schnelle keinen Nachbarn gefunden, der ihr das Ding angeschlossen hätte, aber ansatzweise funktionierte ihr Plan.

Wir Frauen sind ja manchmal ein bisschen doof, aber wenn’s drauf ankommt, unverzichtbar. Zum Beispiel wusste ich sofort, wo das Verlängerungskabel liegt, als sich unsere Hofparty am Samstag spontan in ein Public Viewing wandelte. Bernd am Grill hatte ein bisschen mit den  Würstchen getrödelt, als plötzlich Panik ausbracht: Anstoß in drei Minuten, „Männer, der Fernseher muss raus!“ Frauen und Kinder sprangen in Deckung, dann schleppten die Kerle das Riesending – „Vorsicht, ist noch nicht abbezahlt!“ – die steile Treppe runter. Barbies und Fahrradhelme flogen vom Gartentisch, die Flachbildglotze war in Rekordzeit eingestöpselt.

Ab diesem Zeitpunkt entpuppten sich die wahren Charaktere der Zuschauer, die meisten bis dato vorbildliche Familienväter. Die ploppten sich erstmal auf die Gartenstühle, außer Bernd am Grill, der sein teures argentinisches Hüftsteak, vom Fleischer!!!, beweinte, das er in der Panik auf dem Rost vergessen hatte. Die Kinder bekamen letzte Anweisungen, nicht über das drei Mal verlängerte Kabel zu stürzen, dann waren sie sich selbst überlassen.

Also, für Kinder ist so eine EM schon toll! Endlich unbeaufsichtigt kokeln und Opas Holzschnitzereien vergangener Jahrzehnte im Feuerkorb versenken. Die prasseln richtig gut! Niemand zählt die kleinen fettigen Würstchen, die die Kinder selbst essen oder an den Hund verfüttern, keine Eltern, die einen mit Gemüseschnitzen verfolgen oder zur Unzeit ins Bett schicken wollen -  solange noch der Ball rollt. Weil es Prioritäten geben muss im Leben!

Da wird der Vater schon mal ungemütlich, wenn die lieben Kleinen haarscharf zwischen Fernseher – „Vorsicht, noch nicht abbezahlt!“-  und loderndem Feuerkorb mit den Fahrrädern hindurchflitzen.

Die Mütter sitzen derweil bei der dritten Flasche Prosecco und reden über Bauchmuskeln. Nicht ihre eigenen. Wo denn der Torhüter seine her hat, wo der doch immer nur rum steht? Man wird ja mal fragen dürfen. Ich hatte nicht mal gewusst, wer an dem Abend spielt. Am besten war der Freund unserer Nachbarin, der gerade aus Südafrika zu Besuch ist. Der hatte sich höflich erkundigt, ob Deutschland sich denn überhaupt für die EM qualifiziert habe.

Das ist eine gute Frage. Sind wir qualifiziert? Und wofür eigentlich?

Als neben Opas Schnitzwerken auch die Montessoribasteleien der Kinder sowie die Steuererklärung von 2010 abgefackelt waren, fiel endlich ein Tor. Der Vater versteckte jetzt den Fußball der Kinder im höchsten Baumgeäst, damit die kleinen Nachäffer nicht in letzter Sekunde den Fernseher umschießen. Humor war gestern. Dafür schaltete sich plötzlich die automatische Abstandswarnung ein, die den Bildschirm jedes Mal schwarz werden ließ, sobald sich diesem jemand auf eineinhalb Meter näherte. Und das kam oft vor.

Als die erste Barbie am Feuerkorb eine Kurzhaarfrisur bekommen und der Hund die Würstchen retour ins Blumenbeet ausgelagert hatte, holten wir Frauen eine Flasche Schnaps und ein paar kuschelige Decken und verzogen uns aus dem Strafraum. Das muss in etwa der Moment gewesen sein, als meine Schwägerin bei Ebay zuschlug. Vielleicht sollte ich eine Liste machen mit Dingen, die ich noch brauche. Jetzt, solange Deutschland noch im Rennen ist.

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