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Meinung: Für Genossen, nicht für Kinder

Schulpolitiker haben es schwer in diesen Pisa-Zeiten: Wie sollen sie sich profilieren, wenn alle Parteien von rot bis gelb das Gleiche wollen? Mehr Lehrerstellen, mehr Ganztagsschulen, mehr Integration - das alles ist mehrheitsfähig und kaum konfliktträchtig.

Von Susanne Vieth-Entus

Schulpolitiker haben es schwer in diesen Pisa-Zeiten: Wie sollen sie sich profilieren, wenn alle Parteien von rot bis gelb das Gleiche wollen? Mehr Lehrerstellen, mehr Ganztagsschulen, mehr Integration - das alles ist mehrheitsfähig und kaum konfliktträchtig. Und bietet somit wenig Raum für richtig schöne, ideologisch gefärbte Parteipolitik, die der Basis wohltut.

Jetzt aber scheint zumindest Berlins Bildungssenator Klaus Böger einen Weg gefunden zu haben, wie er seine sozialdemokratischen Genossen - und die Basis der PDS - doch noch glücklich machen kann: Er rückt den sogenannten Privatschulen zu Leibe, rechtfertigt die geplante Kürzung der Zuschüsse für freie Schulen von bisher 97 auf 90 Prozent. Dadurch fallen langfristig neun Millionen Euro pro Jahr weg - laut Bildungssenator ein notwendiger Sparbeitrag.

Gleichzeitig stellt Böger infrage, dass die Schulen in freier Trägerschaft für die öffentliche Hand wesentlich preiswerter sind als staatliche Einrichtungen. Das ist ein Skandal oder zumindest ein frecher Versuch, die Bürger zu verdummen. Denn es ist offenkundig, dass die freien Schulen den Staat viel weniger kosten: Sie erhalten zwar 97 Prozent ihrer Personalkosten als öffentlichen Zuschuss, müssen aber für Gebäude und Betriebskosten selbst aufkommen. Die freien Träger haben vorgerechnet, dass der Staat bei ihnen über 30 Prozent spart.

Und was macht der Schulsenator? Anstatt sich in Zeiten knapper Kassen still zu freuen über so billige Kostgänger, verweist er darauf, dass die freien Träger doch gelegentlich Zuwendungen aus Lottomitteln für ihre Schulgebäude erhalten. Dieses "Argument" ist eine Zumutung, denn auch öffentliche Schulen können auf Lottomittel zurückgreifen. Dagegen ist etwa das 500-Millionen- Schul- und Sportstättensanierung-Programm des Senats für private Schulen tabu.

Die Genossen argumentieren aber auch in anderen Punkten wider besseres Wissen. Etwa, wenn sie das Bild von den "Schulen für Besserverdiener" kultivieren: Es ist kein Geheimnis, dass insbesondere die kirchlichen Schulen wenig mit "Besserverdienern" zu tun haben. Dutzende Kinder sind von Schulgeldzahlungen ganz befreit, weil sich ihre Eltern nicht einmal Monatsbeiträge von 100 Mark leisten können. Nicht viel anders steht es bei den Waldorfschulen. Sie haben sogar errechnet, dass das Einkommen ihrer Eltern unter dem Berliner Durchschnitt liegt.

Und weil dies so ist, protestieren die freien Träger jetzt so harsch gegen die geplante Kürzung der Personalzuschüsse von 97 auf 90 Prozent. Sie wissen, dass sie vielen Eltern keine weiteren Beitragserhöhungen zumuten können. Die freien Schulen stünden also vor der Wahl, entweder das zu werden, was die Genossen ihnen bisher zu Unrecht vorwerfen: Schulen für "Besserverdiener". Oder aber sie sind gezwungen, ihre Einrichtungen zu schließen. Dann aber müssten die teureren staatlichen Schulen einspringen. Kann der Senat das wollen?

Dies alles weiß der Schulsenator. Er weiß auch, dass es in Berlin eine extrem lange Durststrecke von rund fünf Jahren gibt, die eine Schule zurücklegen muss, bevor sie an die staatlichen Zuschüsse herankommt. Er weiß, dass viele freie Schulen nur deshalb entstehen konnten, weil ein paar idealistische Eltern monatelange sanierten und organisierten. Er weiß, dass Berlin in Deutschland und Europa zu den Schlusslichtern gehört, was den prozentualen Anteil freier Schulen anbelangt.

Es liegt offen zutage, dass die freien Schulen bluten sollen, weil die Berliner Sozialdemokratie ihre Vorbehalte gegen Kirche und Privatinitiative ausleben möchte. Tief drinnen rumort es im Bauch der Genossen, wenn sie in Bereichen wie der Schule nicht alle Fäden in der Hand haben. Sie reden sich ein, dass sie für sozial Benachteiligte mehr tun können mit staatlichen Lehrern. Dabei hat Pisa wieder gezeigt, dass Chancengleichheit nichts mit dem Primat der staatlichen Schule zu tun hat - im Gegenteil.

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