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Meinung: Gestorben wird sowieso

Im Kampf gegen den islamistischen Terror steht Afrika abseits – obwohl es betroffen ist

Am Heiligen Abend hatte Washington vor Anschlägen gegen seine Staatsangehörigen in Kenia und Dschibuti gewarnt, London hatte britische Reisende wegen möglichen Terrors in Tansania alarmiert. Doch die Meldungen werden in Ostafrika kaum noch registriert. Fast lakonisch gehen Behörden, Bürger und Presse mit Osama Bin Laden und seinen Folgen um. Von erhöhter Sicherheit beispielsweise an den Flughäfen ist nichts zu spüren, kaum ein Röntgengerät piepst jemals. Nur wer eine westliche Botschaft betritt, der wird gefilzt.

Während sich im Herbst 2001 in der industrialisierten Welt hektische Nervosität breit machte, und über die Raketenabwehr für Atomkraftwerke nachgedacht wurde, erschien in der angesehenen Wochenzeitung „East African“ in Kenia ein Leitartikel der bezeichnend ist für dieses Gefühl des Nicht-Beteiligt-Seins in Afrika. „Wir haben hier keine Hochhäuser, Atomkraftwerke, Strommasten oder Fabriken, die Osama Bin Laden bombardieren könnte", meinte der Autor. Punktum und Ende der Solidarität mit der westlichen Welt. Die Welt mag sich nach dem 11. September verändert haben, Afrika hat es nicht. Die Masse der Afrikaner hat weder elektrisches Licht noch fließend Wasser, sie lebt auf dem Dorf und Osama Bin Laden ist ihr mehr oder weniger gleichgültig.

Das große Sterben wird hier durch Aids, Malaria und Unfälle verursacht, nicht durch Terror. Viele Afrikaner sehen sich nicht als Zielscheibe der internationalen Terrorismus. Warum sollte Osama bin Laden auf Arme zielen? Der Terror gilt den Ausländern, heißt es.

Dabei sind und waren Afrikaner Opfer von Anschlägen des Terrornetzes – gerade wegen der porösen Grenzen in Ostafrika und wegen der schwachen Sicherheitsapparate der Staaten. Da waren die furchtbaren Bombenanschläge 1998 auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam, bei denen in der Mehrzahl Afrikaner, rund 200, starben. Da war der jüngste Doppelanschlag in Mombasa und wieder waren von 15 Getöteten zwölf Kenianer. Es mag paradox klingen, aber diese Taten haben mindestens so viele anti-muslimische wie anti-amerikanische Gefühle erzeugt. Vor aller Augen wurde den Kenianern vorgeführt, wie ungleich die Welt ist: Die betroffenen US-Amerikaner erhielten großzügige Entschädigungen. Herzen werden so nicht gewonnen.

Dass afrikanische Staatspräsidenten sich fast ausnahmslos in die Allianz gegen den Terror einreihen, hat mehr mit handfesten Finanzzusagen an die Regierungen zu tun, als mit globaler Solidarität. Dschibuti, Kenia und Äthiopien stehen fest als Verbündete in Washingtons Kampf gegen den Terror, doch die Nutzung ihrer Staaten für Militäraktionen lassen sie sich auch bezahlen.

Sollte es je einen Kampf der Kulturen – der Westen gegen den Islam – geben, steht Afrika allenfalls als Außenseiter am Rande. Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Islamisierung des Kontinents fortschreitet und selbst neue, innere Krisenherde schafft. Den verarmten Massen bietet der Islam offenbar Halt und Perspektive. Vom amerikanischen Traum – von Wohlstand, Luxus und Freiheit – ist man zu weit entfernt.

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