Kinderpornografie: Grenzen der Einfalt
Der Kinderpornografieverdacht gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss ist in der Welt, er wiegt schwer genug. Die Vorverurteilung eines gefallenen Politikers muss durch die Behörden nicht noch befördert werden.
Am Fall des Kinderpornografieverdachts gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss sind zwei Dinge bemerkenswert, und nur eines hängt mit ihm selbst zusammen. Um damit anzufangen: Es spricht nichts gegen einen Politiker, der sich ein persönliches Bild machen will, bevor er Gesetze erlässt. Das hat jedoch Grenzen. Um gegen Kinderpornos vorzugehen, muss man sich keine anschauen. Ein Politiker muss sich auch nicht durch Pinten saufen, um ein neues Gaststättengesetz zu erlassen, oder Flüsse vergiften, um das Umweltrecht zu schärfen. Gesetzgebungsarbeit und Recherche sehen anders aus.
Wenn ein Parlamentarier trotzdem meint, sich Kinderpornos antun zu müssen, wird ihm jede Jugenschutzstelle reichlich Material zeigen können, und auch die Kripo. Sollte Tauss dies alles nicht gewusst oder sich darüber keine Gedanken gemacht haben, wäre dies die beste Konsequenz: Er legt nach seinen Ämtern auch sein Mandat nieder – unabhängig davon, ob sich der Verdacht erhärtet oder ein Gericht ihn verurteilt. Die Einfalt eines Volksvertreters sollte nur so lange zu tolerieren sein, wie sie nicht gefährlich wird.
Die zweite, wichtigere Frage ist die nach der Rolle der Behörden, gerade wenn es um einen Parlamentarier geht. Staatsanwälte haben alles zu vermeiden, was den Beschuldigten noch weiter bloßstellt, als es die Ermittlungen ohnehin schon tun. Wie ein Tsunami hätten sie die Anfragen überrollt, sagen die Ermittler, doch statt zu schweigen und zu schwimmen, holten sie Luft und erzählten. Es war unnötig, Tauss’ unglücklichen Einlassungen auch noch explizit entgegenzutreten. Der Verdacht ist in der Welt, er wiegt schwer genug. Die Vorverurteilung eines gefallenen Politikers muss nicht befördert werden. Der Rest ist ein rechtsstaatliches Verfahren, über das im Detail nur noch einmal gesprochen werden muss, wenn sich an dessen Ende Tauss’ Unschuld erweisen sollte.