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Ein Aushang „JUDEN haben hier Hausverbot!!!!“ hängt in einem Schaufenster in Flensburg.

© dpa/Sebastian Iwersen

Hausgemachter Antisemitismus: Deutschland, mehr Demut stünde Dir gut

Ein antisemitischer Vorfall in Flensburg offenbart: Mahnmale, Mahnungen und das Empörungsmantra reichen im Kampf gegen Judenhass nicht. Für ein „Nie wieder“ braucht es mehr.

Alexander Fröhlich
Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

Stand:

Einige in Deutschland, in der Politik zumal, haben sich seit dem 7. Oktober 2023 selbstzufrieden eine neue Gewissheit geschaffen – und sich darin ausgeruht. Es war, als entlastete der Angriff der islamistischen Hamas, die barbarischen Massaker, der obszöne Stolz, mit dem die Terroristen ihre Bluttaten filmten, das Selbstbild der Bundesrepublik.

Doch nun zeigt ein kleiner Zettel in einem Laden in Flensburg: Deutschland, der Antisemitismus kommt aus Dir. Er war immer da und offenbart sich wieder ohne Scham.

Eine Zeit lang schien sich das Land an den 7. Oktober zu klammern. Denn es war der größte Massenmord an Juden seit der Shoah, seit dem von den Nationalsozialisten auf deutschem Boden organisierten maschinellen Massenmord in Europa.

Und nun töteten Palästinenser, als Araber, massenhaft Juden, während sich Deutschland seines reflektierten Umgangs mit der eigenen Geschichte vergewissert: das Holocaust-Mahnmal im Regierungsbezirk in Sichtweite des Reichstags, der Kampf gegen jeglichen Antisemitismus, schließlich als Konsequenz die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson. Zuletzt bekam sie Risse, als Israel seine Offensive in Gaza ausweitete.

Das deutsche Gewissen entlastet haben auch die zahlreichen Demonstrationen, einige, die noch propalästinensisch, andere, die schon antiisraelisch, ja antisemitisch waren. Auch dass die Polizei Juden riet, sich in bestimmten Stadtteilen lieber nicht mit Kippa zu zeigen. Oder die Angriffe auf Juden, Anschläge, auf Wände geschmierte Drohungen, besetzte Hochschulen, komplett demolierte Hörsäle und Gewalt an Schulen.

Obendrein kam noch die Debatte über die Migrationspolitik, die Fehler der Wir-schaffen-das-Politik von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU), Asyl, Abschiebungen, ja auch kriminelle Ausländer und Gewalt.

Das alles kam in einen großen Topf und herauskam das perfekte Mittel zur politischen Selbstentlastung: der importierte Antisemitismus, also vor allem von Arabern. Als ließe sich alles Übel auf eine Gruppe projizieren.

Die in großen Teilen rechtsextremistische AfD machte eifrig mit und gerierte sich als größte Kämpferin gegen Antisemitismus. Aber nun lesen wir auf dem Zettel, den ein Ladenbesitzer in Flensburg in sein Schaufenster gehängt hat, einen widerlichen Spruch: „Juden haben hier Hausverbot. Nichts persönliches (sic!), kein Antisemitismus, kann euch nur nicht ausstehen.“

Es ist die neue Form von „Kauft nicht bei Juden“. Das ist Antisemitismus, sogar ein Paradebeispiel dafür. Es erinnert direkt daran, wie die Nationalsozialisten im Dritten Reich Juden behandelt haben.

Das angebliche Motiv des Mannes soll die Wut über Israels Vorgehen in Gaza sein, das er sich jeden Abend in den Fernsehnachrichten ansehen müsse. Das bewegt übrigens auch Teile der linksextremistischen Szene, die bei der Frage danach, wie sie es mit Israel hält, tief gespalten ist. Relevante Teile der Szene paktieren offen mit den radikalen Feinden Israels. Sie haben kein Problem damit, das Ende des israelischen Staates und damit staatlich verfassten jüdischen Lebens zu fordern.

Deutschland, du musst wachsam sein. Mahnmale, Mahnungen und das Empörungsmantra im Kampf gegen Antisemitismus werden nicht reichen. Auch keine Israel-Fahnen vor Regierungsgebäuden. Um das Versprechen „Nie wieder“ einzuhalten, braucht es mehr. Jedenfalls mehr als Symbolpolitik und ritenhafte Bekenntnisschwüre.

Mit der Bildung scheint es in der Bundesrepublik jedenfalls nicht weit her, wenn Menschen, zumal sogenannte Bio-Deutsche, von manchen auch spöttisch bis liebevoll Kartoffeln genannt, die angesichts der Lage in Gaza Zorn empfinden, nicht zwischen Israel und Juden unterscheiden können. Die nicht wissen, dass es antisemitisch ist, Juden auszuschließen, weil sie Juden sind.

Mehr Demut stünde Dir gut zu Gesicht, Deutschland! Ausruhen kannst Du Dich nicht auf Deinem Umgang mit der Geschichte. Für ein „Nie wieder“ braucht es mehr, jeden Tag.

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