PORTRÄT BRADLEY MANNING WHISTLEBLOWER:: „Ich bitte um Verzeihung“
Einen „klassischen Whistleblower“ hat Edward Snowden seinen Geheimnisverrats-Vorgänger Bradley Manning genannt. Sein Schicksal teilen möchte er wohl dennoch nicht.
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Einen „klassischen Whistleblower“ hat Edward Snowden seinen Geheimnisverrats-Vorgänger Bradley Manning genannt. Sein Schicksal teilen möchte er wohl dennoch nicht. Am Mittwoch fiel das Urteil über den ehemals im Irak stationierten US-Soldaten. 35 Jahre Haft. Knallhart.
Mannings Schicksal zeigt beispielhaft das Los wagemutiger Enthüller, die mit ihren Informationen Staaten und Regierungen in Bedrängnis bringen. In jenem Land, das sie abgeschöpft haben, gelten sie als Rechtsbrecher. Edle Motive ändern daran so wenig wie politische Fürsprache. Im Fall Manning wird die Ungnade potenziert, weil für ihn die Militärgerichtsbarkeit zuständig ist; in einer Nation, die sich als weltweit kriegführend betrachtet, gibt es da kein Pardon.
Ein Verräter – oder ein Held? Diese Ambivalenz ist jedem Whistleblowing zu eigen. In der öffentlichen Diskussion wird sie meist irgendwann abgelöst von einer anderen Erzählung: der als Opfer, die eindeutigere moralische Zuschreibungen ermöglicht. So war es bei Manning, der zuletzt nur noch mit seinen Haftbedingungen Schlagzeilen machte, so ist es bei Assange, und so könnte es bei Snowden werden. Opfer sind passiv, aber dafür kaum mehr kritisierbar – weshalb der Status zur Teilnahme einlädt, etwa den „Guardian“, der die offenbar mit Einverständnis der Zeitung erfolgte Zerstörung von SnowdenMaterial als Attacke auf die Pressefreiheit schildern lässt.
Bei Snowden und dem „Guardian“ mag viel kalkuliert sein, bei Manning wirkte es anders. Seine Taten fallen in eine Zeit, in der er in Deutschland gerade dem Jugendstrafrecht entwachsen wäre. Im Prozess wurde er als ungeeignet für den Dienst beschrieben, nur aus Personalnot sei er geblieben. Die Nöte als Homosexueller in der US-Armee, noch dazu im Kriegseinsatz, dürften auch gefestigtere Persönlichkeiten als ihn vor massive Seelenprobleme stellen.
Man wird Manning glauben dürfen, wenn er sagt, er habe die Folgen seines Tuns nicht übersehen. Das gilt wohl vor allem für die Veröffentlichung der Botschafter-Depeschen, die nicht unbedingt geeignet war, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Regierungsamtlich gute Worte für ihn einzulegen, fällt gleichwohl schwer. Auch Deutschland würde seine Geheimnisverräter bestrafen, auch hier kann es Lebenslang geben. Manning, ein „klassischer Whistleblower“? Da redete Snowden über sich selbst. Weit mehr als Bewunderung hat Manning Mitleid verdient. Jost Müller-Neuhof
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