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Brigitte Heinisch: „Ich will volle Gerechtigkeit“

Sie ist keine, die an ihrem großen Tag viele Worte machen will. Das Blitzlichtgewitter, in das sie am Donnerstag in der Berliner Kanzlei ihres Anwalts blickt, ist ihr unangenehm.

Sie ist keine, die an ihrem großen Tag viele Worte machen will. Das Blitzlichtgewitter, in das sie am Donnerstag in der Berliner Kanzlei ihres Anwalts blickt, ist ihr unangenehm. Dabei hat Brigitte Heinisch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerade ein für Deutschland einmaliges Urteil erstritten: Das öffentliche Anprangern von Versäumnissen des eigenen Arbeitgebers ist vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. So etwas hört man nicht alle Tage.

Doch trotz ihres Sieges lächelt Heinisch erst, als sie von Fotografen darum gebeten wird. Uneitel ist sie, wenn auch nicht immer so still. Energisch kann sie sein. Zuweilen so sehr, dass der Umgang mit ihr nicht immer einfach gewesen sei, sagten ehemalige Kollegen, aus denen dennoch vor allem Bewunderung für die 49-jährige Berlinerin spricht. Und eines stünde fest: „Brigitte hat das Herz am richtigen Fleck!“ Die Altenpflegerin hat jahrelang beim Berliner Klinikkonzern Vivantes gearbeitet. Dass das einst finanziell klamme Unternehmen nicht immer der beste Arbeitgeber war, weiß sie aus eigener Erfahrung: In dem Pflegeheim, in dem Heinisch als Schwester arbeitete, musste sich zu wenig Personal um zu viele Bedürftige kümmern. Ab 2002 beschwerte sie sich immer wieder bei der Heimleitung über vernachlässigte Bewohner und überforderte Kollegen. Schließlich zeigte sie Vivantes an. Wenig später wurde Heinisch entlassen. Ein jahrelanger Kampf vor deutschen Arbeitsgerichten begann. Doch weil Loyalität zum Arbeitgeber hierzulande mehr zählt als das Recht der Öffentlichkeit auf Aufklärung, musste Heinisch bis nach Straßburg gehen, wo ihr nun der Rücken gestärkt worden ist.

Für ihren Mut wurde sie schon 2007 von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler mit dem Whistleblower-Preis geehrt: Als Whistleblower werden Menschen bezeichnet, die Missstände innerhalb einer Einrichtung öffentlich machen. Zu jener Zeit hatte sie auch angefangen, ein Buch zu schreiben: „Satt und sauber? Eine Altenpflegerin kämpft gegen den Pflegenotstand“ ist im rororo-Verlag erschienen und hat sich immerhin 10 000-mal verkauft.

Heinischs Kampf hatte auch unmittelbare Folgen für die Pflegebedürftigen. An Heinischs einstigem Arbeitsplatz hat sich einiges geändert: Bei Kontrollen schneidet das Haus inzwischen gut ab. Brigitte Heinisch will dranbleiben und eine vollständige Rehabilitierung durch Vivantes.Hannes Heine

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