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Von Hans-Hagen Bremer: Im Alleingang

Präsident Sarkozy redet über europäische Verteidigung – und meint die Frankreichs

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Frankreichs Streitkräfte leben von der Hand in den Mund. Die spektakuläre Militärparade, die jedes Jahr am 14. Juli über die Champs-Elysées in Paris führt, kann darüber nicht hinwegtäuschen, dass es beim Heer wie bei der Luftwaffe oder der Marine an allen Ecken und Enden fehlt. Jüngstes Beispiel sind die technischen Ausfälle, zu denen es bei der Verfolgung und Ergreifung der Piraten kam, die vor der somalischen Küste eine französische Luxusyacht gekapert hatten.

Nicht alles ist Rost, und Pannen dieser Art mögen sich auch bei Hubschraubern und Schnellbooten der Streitkräfte anderer Länder zutragen. Doch wie schlecht es um die französischen Streitkräfte bestellt ist, das belegen zum Beispiel die Aussagen anonymer Soldaten, die sich Teile ihrer Ausrüstung aus eigener Tasche anschaffen, oder von Kommandeuren, denen nichts anderes übrig bleibt, als stillgelegte Helikopter als Ersatzteillager für noch flugtaugliche Maschinen zu nutzen.

Seit Neuestem gibt es für diese Misere einen unwiderlegbaren Zeugen, nämlich Präsident Nicolas Sarkozy selbst. Nur noch jeder zweite Leclerc-Panzer, einst der Stolz des Heeres, sei im Einsatz, sagte er gestern bei der Vorstellung des neuen Weißbuchs über Frankreichs Verteidigung. Zwölf Jahre nach der letzten großen Streitkräftereform, die unter Sarkozys Vorgänger Jacques Chirac die Umstellung von der Wehrpflichtigen- auf eine Berufsarmee brachte, analysiert die von einer Kommission vorgelegte Studie eine seither radikal veränderte Lage. Dass die Empfehlungen, die sie daraus formulierte, weitgehend vom Präsidenten inspiriert wurden, weshalb die linke Opposition ihre Mitarbeit einstellte, ändert kaum etwas an den Konsequenzen, die nun zu ziehen sind.

Angesichts der neuen Bedrohungen, an erster Stelle durch den internationalen Terrorismus, und infolge der knappen Finanzmittel, erscheint ein radikaler Umbau der Streitkräfte hin zu kleineren, schnell verlegbaren und hochmobil einsetzbaren Einheiten sowie eine Umschichtung der Mittel zugunsten verbesserter Aufklärung und Information unumgänglich.

Dass Sarkozy, der den Aufbau einer europäischen Verteidigung als Priorität seiner bevorstehenden Amtszeit als EU-Präsident bezeichnet, diesen Schritt ohne hinreichende vorherige Konsultation der Partner unternimmt, ist bedauerlich. In London, Berlin oder Rom stehen die Regierungen ja vor ähnlichen Problemen, die sich gemeinsam besser als im Alleingang lösen ließen. Die Frage, wie ernst es Sarkozy mit einer Zusammenarbeit ist, stellt sich auch im Hinblick auf Frankreichs Rückkehr in die Nato. Wenn er die Prinzipien, die General de Gaulle seinerzeit für den Austritt Frankreichs aus der Militärstruktur aufstellte, heute für die Reintegration in die alliierten Kommandostellen reklamiert, ist das ein klarer Widerspruch.

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