Meinung: Im Land der Richter und Henker
Wie die SED-Diktatur in Deutschland salonfähig gemacht wird Von Hubertus Knabe
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Momentaufnahmen aus Berlin: Weil junge Polizeischüler im Unterricht sagten, sie wollten nicht dauernd an den Holocaust erinnert werden, kündigte Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) deren mögliche Entlassung an. Als im Abgeordnetenhaus über die öffentliche DDR-Verherrlichung durch ehemaliger Stasi-Offiziere diskutiert wurde, erklärte Körting: „Die brauchen eher den Altenpfleger als den Verfassungsschützer.“
Wer die beiden Diktaturen in Deutschland verharmlost, wird hierzulande vielfach unterschiedlich beurteilt. Während im einen Fall selbst nichtige Anlässe zu oft überzogenen Reaktionen führen, wird im anderen in der Regel großzügig darüber hinweggesehen. Was bei der NS-Diktatur aus gutem Grunde verboten ist, ist beim SED-Regime erlaubt: Jeder darf in Deutschland mit den Abzeichen des DDR-Staates auf der Straße spazieren, den Massenmord im Gulag rechtfertigen oder vor Gedenkstätten die Opfer verhöhnen.
Dabei liegt die kommunistische Diktatur noch gar nicht so lange zurück. Die 30 000 hauptamtlichen Mitarbeiter, die der Staatssicherheitsdienst allein in Berlin hatte, haben sich mit dem Ende der DDR keineswegs in Luft aufgelöst. Die Täter sind unter uns und erfreuen sich ihres Lebensabends. Nach 40 Jahren Diktatur mussten ganze 19 Verantwortliche ins Gefängnis – sie alle sind längst wieder frei.
Wer gehofft hatte, die Funktionäre des SED-Regimes durch gnädige Behandlung zum Umdenken zu bewegen, hat sich getäuscht. Das Gegenteil ist eingetreten: Dass kaum einer bestraft wurde, deklarieren sie heute als Unschuldsbeweis. Obwohl sie durch Luxusrenten bis jetzt von ihrer Unterdrückertätigkeit profitieren, wettern sie gegen das „Rentenstrafrecht“. In der Öffentlichkeit predigen sie ungeniert einen hartgesottenen Geschichtsrevisionismus.
Dass die Täter kein Unrechtsbewusstsein haben, hängt auch damit zusammen, dass sie in der Politik einen wichtigen Fürsprecher haben: die dreimal umbenannte SED. Linkspartei-Chef Lothar Bisky wehrt sich dagegen, die DDR als „Unrechtsstaat“ zu bezeichnen. Der Ehrenvorsitzende Hans Modrow gibt der Bundesrepublik eine „Mitschuld an der innerdeutschen Grenze“. Und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau trauert beim Tod des Mielke-Stellvertreters Markus Wolf um „einen streitbaren Kämpfer, der aufrecht durch sein Leben ging“. Dass für die Linkspartei im Bundestag und in den Landesparlamenten so viele Ex-Stasi-Mitarbeiter sitzen, ist ein Tabubruch mit System.
Für die Opfer ist all dies sehr schmerzhaft anzusehen. Ausgerechnet die, die mehr als alle anderen für die Freiheit und das Ende der Teilung riskiert haben, sehen sich von der Bundesrepublik allein gelassen. Kein Gesetzgeber, kein Staatsanwalt, kein Innensenator schützt sie vor den Verhöhnungen der Täter. Im Gegenteil: Wer sich in der DDR auflehnte und deshalb nicht studieren durfte, bekommt die Folgen noch heute zu spüren. Seine Rente ist weit niedriger als die der dafür Verantwortlichen.
Führende Politiker haben am Wochenende Europa gelobt. Sie könnten von Europa viel lernen: In Kroatien erhält ein ehemaliger politischer Häftling mehr als doppelt so viel Rente wie einer, der nicht verfolgt wurde. In Polen, Ungarn und Tschechien ist das Tragen kommunistischer Symbole untersagt. In Lettland und Litauen ist die kommunistische Partei, in Tschechien der Jugendverband verboten. Nur in Deutschland werden die beiden Spielarten totalitärer Herrschaft bis heute mit zweierlei Maß gemessen.
Der Autor ist Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Am heutigen Donnerstag um 19 Uhr stellt er sein neues Buch „Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur“ (Propyläen Verlag) vor – in der Thüringischen Landesvertretung, Mohrenstraße 64. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung per Fax (20345 - 279) wird gebeten.
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