zum Hauptinhalt
Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Kolumne "Ich habe verstanden": Kein Mensch braucht einen Jugendkanal

Jugendliche im Fernsehen - das sind meist Witzfiguren mit hanebüchenen Dialogen. Kein vernünftiger Mensch käme wohl auf die Idee, einen Jugendkanal ins Leben zu rufen. Doch Vernunft kommt dem Fernsehen nur sehr selten in die Quere.

Wie nennt man eigentlich folgende kleine Störung: Es ist Samstagabend, man schaltet sich lustlos durch das Fernsehprogramm und bleibt bei einem Film hängen, den man erstens schon dreimal gesehen und den man zweitens auch auf DVD im Schrank hat. Man könnte den Film also schauen, wann man will, obwohl man das überhaupt nicht muss, denn kann kennt den Film, man weiß wie er ausgeht. Trotzdem: Man schaut ihn sich im Fernsehen an, man erträgt die Werbepausen, man freut sich auf eine ziemlich kranke Art.

Wahrscheinlich ist diese Störung gar nicht schlimm, man muss damit nicht zum Arzt gehen, vielleicht leiden viele darunter. Möglicherweise ist man nicht selber daran Schuld, sondern das Fernsehen, das ja eher beim Neuen versagt als beim Alten. Wiederholungen tun weniger weh.

Der Film war eine Frechheit

Das habe ich jedenfalls festgestellt, als ich mir mit den besten Absichten den ARD-Fernsehfilm „Komasaufen“ anschauen wollte. Der lief Mittwoch vor einer Woche; auf dem Sendeplatz, auf dem oft sehr gute Fernsehfilme laufen, aber „Komasaufen“ war nicht gut, sondern eine Frechheit. Es ging um einen Jungen, der durch den Druck des Lebens an den Alkohol gerät – daraus hätte man was machen können, aber daraus wurde lächerliche Abbildung von Jugend in Deutschland mit hanebüchenen Dialogen.

Es gibt Dinge, die Jugend für alle Zeit ausmachen

Jetzt kann es natürlich sein, dass ich derjenige bin, der keine Ahnung mehr davon hat, was es heißt, im Jahr 2013 jung zu sein. Ich glaube aber, dass es Dinge gibt, die Jugend für alle Zeit ausmachen – also 2013, 1991 und 1964 Gültigkeit haben. Die Sprache der Jugend zu Beispiel wird immer eine sein, die nur ganz wenige Drehbuchautoren herstellen können: In dem angeblich so jugendlichen „Tatort“ aus Erfurt vom vergangenen Sonntag zum Beispiel fanden die Kommissare dauernd alles „krass“, wenn etwas noch krasser war, sagten sie „krass, Alta!“ und dabei tranken sie ständig so genannte Energy Drinks, außer einmal, da trank einer ein Bier, aber auch wirklich nur eins, wahrscheinlich, damit man als Zuschauer nicht denkt, man sehe gerade „Komausaufen II“.

Vernunft kommt dem Fernsehen nur sehr selten in die Quere

Jugendliche im Fernsehen – das sind meist Witzfiguren, die Dinge tun und sagen, die kein vernünftiger Mensch tun und sagen würde. Aber vernünftige Menschen kämen wahrscheinlich auch niemals auf die Idee, einen Jugendkanal ins Leben rufen zu wollen. Aber genau das wollen ARD und ZDF ja ganz gerne machen, keiner weiß zwar so genau warum, aber es wusste ja auch keiner, warum man einer Frau, die als Inka Bause bekannt wurde, eine tägliche Nachmittagstalkshow geben musste, die dann ja auch nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurde. Vernunft kommt dem Fernsehen nur sehr selten in die Quere.

Kein Mensch braucht einen Jugendkanal. Aber viele Menschen würden sich wahrscheinlich wünschen, dass auf den Kanälen, die es bereits gibt, ein besseres Programm ausgestrahlt werden würde. Eines, dass seine Zuschauer ernst nimmt – auch die jugendlichen Zuschauer, die vielleicht auch deshalb in Scharen weglaufen, weil sie im deutschen Fernsehen nur Karikaturen ihrer selbst und ihres Lebens sehen müssen. Junge Menschen, die Sätze sagen müssen, die niemand freiwillig sagen würde; die Dinge tun, die kein normaler Mensch jemals tun würde.

Ach, wie gerne würden wir das Fernsehen ernst nehmen – aber dann müsste das Fernsehen zunächst einmal wieder die Zuschauer ernst nehmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false