Meinung: „Keine Freiheit, sondern plumpe Lüge“
Ich kann“, lässt Brecht seine Mutter Courage sagen, „nicht darauf warten, dass der Krieg gefälligst nach Bamberg kommt.“ Claus Peymann, der in die Rolle des Vater Courage vom Berliner Ensemble mehr und mehr hineinwächst, hat diesen Satz offenbar bei den aktuellen Proben verinnerlicht – und schießt nun aus allen verfügbaren Rohren.
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Ich kann“, lässt Brecht seine Mutter Courage sagen, „nicht darauf warten, dass der Krieg gefälligst nach Bamberg kommt.“ Claus Peymann, der in die Rolle des Vater Courage vom Berliner Ensemble mehr und mehr hineinwächst, hat diesen Satz offenbar bei den aktuellen Proben verinnerlicht – und schießt nun aus allen verfügbaren Rohren. Irgendein Krieg müsste sich doch gefälligst anzetteln lassen in Berlin, nicht wahr?
Da war zunächst das skurrile Ansinnen, dem ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar ein Praktikum als Kulissenschieber im BE anzudienen – eine gelungene Wiederaufnahme des Erfolgsmotivs der Siebziger, als Peymann in Stuttgart für Gudrun Ensslins Zahnersatz sammelte und bundesweit berühmt wurde. Die neue Ankündigung erfüllte wie damals ihren Zweck, die CDU in höchste Erregung zu versetzen; richtig schräg wurde sie durch ein Interview-Furioso, in dem kein Gedanke mehr auf dem anderen blieb.
Christian Klar, sagte Peymann, sei ja kein gewöhnlicher Feld-, Wald- und Wiesenmörder, sondern einer mit Gewissen: „Diese Terroristen haben getötet, weil sie glaubten, mit ihren Morden etwas gegen die Ermordung von Hunderttausenden von Kindern und Frauen in Vietnam tun zu können.“ Zwar mordeten Klar und Genossen erst Jahre nach dem Vietnamkrieg, aber durch so kleinliche Einwände lässt sich ein Meisterdenker nicht irritieren: „Ich habe das Gefühl, dass wir es hier mit Rachejustiz zu tun haben.“
Starker Stoff; allerdings war nicht zu erwarten, dass es noch dicker kommen würde. Denn nun zanken ausgerechnet Peymann und Rolf Hochhuth, mithin die beiden wichtigsten Virtuosen an der Nervensäge, die die Stadt kennt. Wären beide 40 Jahre jünger, hätten sie die Sache vermutlich mit einer Schlägerei in der Paris-Bar ausgetragen – nun müssen es die Anwälte richten. Es geht um Geld: Hochhuth habe ihm schon „enorme Gagen angeboten“, sagte Peymann, damit er nur dessen Stücke auf die Bühne bringe. „Nie!“ schrieb Hochhuth und keilte zurück, Peymann stecke sich jährlich eine Million aus den Theatersubventionen „in die Hosentasche“. Der antwortete, das sei „keine dichterische Freiheit, sondern eine plumpe Lüge“. Aus der Geschichte des Salonbolschewismus wissen wir, dass dort der Vorwurf überzogener Bereicherung nur bis zu einem gewissen Grad toleriert wird; eine Million läge drüber.
Hochhuths Verlangen, der Senat möge Peymann durch jüngere Kräfte wie Thalbach oder Schlingensief ersetzen, hob die Affäre auf eine neues Eskalationsniveau: Peymann äußerte die Sorge, Hochhuth werde womöglich Knut als nächsten BE-Intendanten ausrufen. Der gegenwärtig Allerhöchste ist mithin involviert. Ob es noch doller geht?
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