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Der Plenarsaal in Brandenburgs neuem Landtag.

© Manfred Thomas

Kommentar zur Potsdamer Landtagsübergabe: Keinkulturland Brandenburg

Die Übergabe des neuen Landtags in Potsdam an die Nutzer: Ein Tag der Selbstentblößung:

Stell dir vor, es wird Landtag, und keiner geht hin. Da wurde also am Donnerstag in Potsdam das erste echte Parlamentsgebäude in der brandenburgischen Landesgeschichte an die Nutzer, den Landtag und seine Abgeordneten, übergeben und wie viele der 88 Volksvertreter kamen? Außer dem Landtagspräsidenten, der zur Schlüsselübergabe kommen musste: keiner weiter. 1 aus 88! Nicht einmal die Fraktionsspitzen, nicht einmal eine Sekretärin oder der Kofferträger von einem Referenten von irgendwem aus Reihe zehn erschien. Warum nicht? Weil Ferien sind? Weil das Wetter auch mies war? Extra nach Potsdam fahren? Wozu?

Ja, wozu denn dann, wenn nicht dazu. Wenn die Inbesitznahme des eigenen Gebäudes nicht wichtig ist für Brandenburgs Parlamentarier, dann sollen sie doch als Parlamentstheater Tournee tingeln – heute hier und morgen dort im alten Saal vom Dorfgasthof; oder sollen bleiben im verrotteten „Kreml“ auf dem Brauhausberg. Wenn der symbolische Tag nicht wichtig war, dann hätten sie doch den Hausmeister schicken sollen – wenn es ihnen nur um den Schlüssel ging Zum Mitschämen, wenn es nicht doch tragisch wäre.

Ist das also Brandenburg? So werden die Brandenburger vertreten. Das ist die Qualität. Das ist das Niveau. Da ahnt man plötzlich, warum sie immer hymnisch singen, er möge hochsteigen, der rote Adler: Damit endlich mal Normalnull erreicht wird? Am Ende: das Brandenburg-Lied – ein Stoßgebet.

Ja, die Abgeordneten waren von ihrer Parlamentsverwaltung nicht oder jedenfalls nicht richtig eindeutig eingeladen worden zu dem Schlüsseltermin. Das ist nicht schön. Aber muss man einen Abgeordneten zu seiner Hausübergabe einladen? Es interessiert sie ja augenscheinlich auch nicht von mandatswegen, dass Brandenburg nun für sie ein richtiges Landtagsgebäude hat. Sie haben ja nicht einmal nachgefragt, warum sie nicht eingeladen werden zu dem Termin, der nun wahrlich nicht geheim war. Sie hätten auch so kommen können – müssen. Es ist ja ihr Haus geworden am Donnerstag. Doch nicht einmal die Potsdamer Abgeordneten haben sich hinbemüht zum offiziellen Akt der Schlüsselübergabe. Aber über die Farbe des Adlers im Landtag streiten sie – ob weiß oder rot! Rot anlaufen müssten sie allein – so viel Peinlichkeit.

Und dann noch der Akt an sich – dieses dahingestolperte Laienbauerntheater vor Schlosskulisse. Jeder angemalte Stromverteilerkasten in der allerhintersten Lausitz wird feierlicher übergeben als das Potsdamer Landtagsschloss. Stegreifimprovisiertes Eröffnungsgestammel. Und der Landtagspräsident sagt Dinge wie: Der Architekt habe die Räume schön „so hingeschustert“, dass alle schön Platz haben in dem Neubau. Herrjeh: Hier ist Stil wirklich das Ende vom Besen. Dazu gab es pappige Brezeln – der Caterer hätte zwar mehr geboten, aber man hatte dankend abgelehnt. Nicht einmal für eine Flasche Schaumwein hat’s gereicht bei Anstand und Stil vor lauter Brandenburgsein.

Ja, die große Eröffnungssause ist erst im Januar. Aber ein Fest hatte auch niemand erwartet an diesem Donnerstag der Schlüsselübergabe. Aber Stil, Anstand. Was fehlt: Das, was man eben nicht mit seinem Amt oder Mandat verliehen bekommt: Würde.

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