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Meinung: Koalition in Berlin: Sich selbst überholt

Das Tempo der Koalitionsbildung ist für Berlin rekordträchtig: Am 6. Dezember saßen SPD und PDS zum ersten Mal zusammen, sechs Wochen später steht die Senatoren-Riege, am Donnerstag sollen der Regierende Bürgermeister und die Kandidaten gewählt werden.

Das Tempo der Koalitionsbildung ist für Berlin rekordträchtig: Am 6. Dezember saßen SPD und PDS zum ersten Mal zusammen, sechs Wochen später steht die Senatoren-Riege, am Donnerstag sollen der Regierende Bürgermeister und die Kandidaten gewählt werden. Dann regiert Rot-Rot. Die Stadt wird sich noch daran gewöhnen müssen. Auch an das, was die Koalition auf 117 Seiten vereinbarte. Da wird es noch Überraschungen geben. Manches, wie die Umwandlung des Klinikums Benjamin Franklin, ist offenbar mit so heißer Nadel gestrickt, dass am Bestand des Vorhabens gezweifelt werden darf. Geschwindigkeit vor Qualität?

Zum Thema Online Spezial: Rot-Rot in Berlin Kurzporträt: Der neue Senat Das gilt auch für das Personal. Die Besten für die Hauptstadt, die neue Ideen und energisches Handeln so dringend braucht? Das zweitwichtigste Amt nach dem Regierenden Bürgermeister, das des Finanzsenators, wird als allerletztes vergeben. Nach einer hektischen Suche, bei der offenbar kaum jemand nicht angefragt wurde, der bei den Sozialdemokraten schon einmal mit Geld zu tun hatte. Die Amtsinhaberin Christiane Krajewski verzichtet wegen fehlender Unterstützung durch den Regierenden Bürgermeister von sich aus. Die Ex-Sparsenatorin Annette Fugmann-Heesing wollten die starken Männer der SPD nicht wieder am Regierungstisch sehen.

Dabei hatten sich SPD und PDS als ersten Punkt der Koalitionsverhandlungen auf einen strikten Sparkurs geeinigt. Doch diese ziellose Suche wird kein Vertrauen wecken in einer verunsicherten Stadt, die wie betäubt ist von der rasenden Geschwindigkeit, mit der die SED-Nachfolger in den Senat wechseln. Den Fehlstart hat der Regierende Bürgermeister zu verantworten, der die Verhandlungen mit zu leichter Hand begleitete. Er hielt es für dringlicher, die letzten Tage in Paris bei der Konferenz der Bürgermeister der Euro-Hauptstädte zu verbringen.

Kein Senator aus dem Osten und nur eine Frau - die SPD hat die eigenen Maßstäbe verfehlt. Aber regt das wirklich jemanden auf - außer den SPD-Funktionären? Die Berliner haben dringendere Sorgen. Sie wollen den versprochen Neuanfang sehen, nicht Zufallskandidaten und Verlegenheitslösungen. Auch die Sozialisten haben nicht ihre Besten in den Senat geschickt - abgesehen vom künftigen Wirtschaftssenator Gregor Gysi. Der beeindruckt durch eine selbstbewusste Geste: Er hat den Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, einen Vertreter des Kapitals, zu seinem Staatssekretär gemacht. Dagegen sind weder Thomas Flierl für die Kultur noch die künftige Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner die erste Wahl ihrer Partei gewesen.

Dennoch macht die PDS bei der Personalbesetzung die bessere Figur. Zumindest hat sie ihre Kandidaten zügig präsentiert. Die SPD hat offenbar zu spät und ohne Strategie angefangen, nach Personal zu suchen. Dem Regierungssprecher in Sachsen-Anhalt blieb es vorbehalten, die in Halle amtierende Justizministerin Karin Schubert als neue Berliner Justizsenatorin zu bestätigen.

So professionell die Koalitionsverhandlungen begannen, so amateuerhaft gehen sie zu Ende. Aber auch Amateure können aufsteigen. Und das, was wegen des rot-roten Tempos an Unsinn seinen Weg in den Koalitionsvertrag gefunden hat, wieder in den Papierkorb befördern.

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