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Meinung: Kölle Alaaf!

„Heil Hitler und Alaaf“ von Clemens Heni vom 25.Januar Das ist ja eine abenteuerliche Interpretation, die Karnevalsexperte Heni da aus dem Text des Liedes von den Eingeborenen von Trizonesien anbietet.

„Heil Hitler und Alaaf“ von Clemens Heni vom 25.Januar

Das ist ja eine abenteuerliche Interpretation, die Karnevalsexperte Heni da aus dem Text des Liedes von den Eingeborenen von Trizonesien anbietet. Das Lied, das der Kölner Bäckermeister Karl Berbuer 1949 geschrieben und komponiert hat, ist zudem unvollständig wiedergegeben. Natürlich hat der Antisemitismus wie überall auch im Kölner Karneval seinen Niederschlag gefunden. Aber zumindest unterschwellig den Eindruck zu erwecken, Karneval und Judenhass gehörten zusammen, ist doch wohl an den Haaren herbeigezogen. Das beweist übrigens ein anderes bereits 1936 von Karl Berbuer geschriebenes und komponiertes Lied: „Heidewitzka, Herr Kapitän! Me’m Müllemer Böötchen fahre mer su gähn“ (mit dem Mülheimer Bötchen fahren wir so gerne. Wenn Berbuer auf die Bühne trat und statt des von den meisten ungeliebten Hitler-Grußes sein Heidewitzka in den Saal rief, kannte der Jubel der Kölner keine Grenzen. Berbuer geriet deshalb auch ins Visier der Gestapo. Aber gegen die Verballhornung des schlitzohrigen Bäckermeisters war nichts zu machen. Ich grüße mit einem dreifachen „Kölle Alaaf“!

Hans-Bernd Wesselmann, Köln

Als der Bundestag den 27. Januar als Gedenktag der Befreiung des KZ Auschwitz beschloss, wurde zugleich geregelt, dass die Feier im Parlament vorverlegt werde, falls der 27. Januar, wie in diesem Jahr, aufs Wochenende fällt. Zugleich sind diesmal, abhängig vom katholischen Kirchenjahr, am 27. Januar die ersten Karnevalsumzüge. Wo ist das Problem? Weil der alte katholische Karnevals- und der neue demokratische Gedenkkalender kollidieren, nimmt Heni ein populäres Karnevalslied der Nachkriegszeit zum Anlass, „den Deutschen“ vorzuwerfen, dass „sie tun was sie können, um Auschwitz zu vergessen", von 1949 bis heute.

Damit tut er uns Deutschen, dem Karneval und den Münchnern Unrecht. Die Münchner haben z. B. Neonazi-Demonstrationen verhindert, indem sie sich auf dem Marienplatz und im Stadtzentrum so zahlreich versammelten, dass die Nazis hinausgedrängt wurden, und das tatkräftige Engagement ihres OBs Christian Ude für die Erinnerung und Vermittlung der NS-Geschichte ist bekannt. Auch in München ist übrigens „der diesjährige“ Faschingszug am Rosenmontag, während am 27.Januar die „Damischen Ritter“ ihren Umzug machten, mit Christian Ude als Schirmherr. In Köln fanden am 27. Januar etwa 30 Karnevalssitzungen statt, und auch in anderen Städten begann die „närrische Zeit“. Und im Fernsehen liefen Sendungen, die dümmer und verächtlicher waren als Faschingsumzüge und als jenes „Trizonesien“-Lied.

Der Karneval gefährdet nicht, sondern stärkt den moralischen Zusammenhalt der Gesellschaft und die Demokratie. Dort werden Skandale und Missstände klarer und frecher kritisiert als in den Ritualen der Politik und der Kirchen. Clemens Heni bedient die rituelle Gratisempörung derer, die um eines abstrakten Guten willen anderes schlecht machen müssen. Das führt dann zu der fatalen Überinterpretation, dass im „Trizonesien“-Lied „der Antisemitismus … unschwer widerscheine“, weil „Trizonesien“ mehr Kultur und Geist habe als, um des Reimes willen, „Chinesien“. Das mag 1949 ein Argument gewesen sein, als die Nazi-Mehrheit der Deutschen noch lebte, aber heute sind das untaugliche Beispiele, mit denen der Antisemitismus verharmlost und der „Schuldabwehr“ Vorschub geleistet wird, und der Autor sein Anliegen ins Gegenteil verkehrt.

Prof. Hermann Pfütze,

Berlin-Nikolassee

Der Karneval, besonders wie er in den westlichen deutschen Ländern, gefeiert wird, hat eine lange Tradition. Er diente, über Jahrhunderte, den jeweiligen Herrschern als Kontrolle des Pöbels (des Volkes). Im historischen Sinne ist der Karneval alles andere als eine nationalsozialistische Angelegenheit.

Wolfgang Brade, Berlin-Kreuzberg

Ich bin entsetzt, dass Jahrzehnte nach dem Holocaust und der späteren weltweit einmaligen Aufarbeitung dieses verbrecherischen Geschehens durch uns ein „Politikwissenschaftler“ jetzt noch ein so negatives, ja teilweise absurdes Deutschlandbild zeichnet!

Rudolf Domke, Berlin-Zehlendorf

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