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PORTRÄT YOANI SANCHEZ KUBANISCHE BLOGGERIN:: „Kuba braucht eine Injektion Kreativität“

Ein leichtes Schwindelgefühl gibt sie dann doch zu. Denn nicht im Traum hätte sich Yoani Sanchez diese rasante Entwicklung vorstellen können.

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Ein leichtes Schwindelgefühl gibt sie dann doch zu. Denn nicht im Traum hätte sich Yoani Sanchez diese rasante Entwicklung vorstellen können. Im März 2007 startete die Kubanerin den Internetblog „Generacion Y“, nur ein Jahr später gilt sie im Westen als die alternative Stimme Kubas. Sie hat den renommierten spanischen Literaturpreis Ortega y Gasset für ihre Seite bekommen. Und das „Time“- Magazin zählt sie sogar zu den „100 einflussreichsten Personen des Planeten“ in der Kategorie Helden und Pioniere.

Dabei beschreibt die 32-jährige promovierte Philologin lediglich in meist ironischem Ton die Beschwernisse, die der Alltag in Kubas Hauptstadt Havanna mit sich bringt. Wie schwierig es zum Beispiel ist, eine Zitrone aufzutreiben, wenn man erkältet ist (es gelingt nicht). Oder wenn man, wie im aktuellen Eintrag nachzulesen, von Staats wegen eine energie sparende Glühbirne verordnet bekommt, die nicht nur ein fahles Licht wirft, sondern auch nach drei Wochen schon kaputt ist. Es sind kleine, oft von eigenen Fotos begleitete Geschichten, mit der Sanchez die Untüchtigkeit des kubanischen Sozialismus beweist.

Mittlerweile gibt es „Generacion Y“ auf Deutsch, Englisch, Französisch und sogar auf Polnisch. Millionen Menschen haben die Seite bisher besucht, jeder ihrer Beiträge wird von tausenden Internetnutzern kommentiert. Nur auf Kuba selbst kann praktisch niemand „Generacion Y“ nachlesen. Es gibt dort so gut wie keine privaten Internet anschlüsse; die wenigen, die verfügbar sind, sind zudem äußerst langsam. Weswegen Sanchez ihre Geschichten auch in den Touristenhotels von Havanna ins Netz stellt, die sie, als Touristin verkleidet, betritt. Sanchez selbst bezeichnet ihre Arbeit als „persönlichen Exorzismus“ und „Bürgerjournalismus“ und möchte keineswegs als Dissidentin verstanden werden. „Ich bin ein freies Elektron“, hat sie einmal gesagt. Der kubanische Staat hat Sanchez bisher eher in Ruhe gelassen, obwohl sie vermutet, dass sie und ihre Freun de überwacht werden.

Ignorieren tut das Regime sie jedenfalls nicht. Zur Verleihung des Ortega y Gasset in Spanien verweigerte die Regierung die Ausreise genehmigung. Fidel Castro hat sie als Werkzeug der „neokolonialen Presse“ beschimpft. Sanchez, die mit ihrem Mann, einem Journalisten, in einem Hochhaus in Havanna wohnt, macht das keine Angst. Sie nennt Kuba im Kern krank und fordert eine „Injektion Kreativität“. Philipp Lichterbeck

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