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Lesermeinung: Abstimmung zum Potsdamer Stadtschloss: Entsetzen über Ablehnung, Vergleich mit Dresden, Votum für Brauhausberg und für öffentliche Nutzung

„Patt kippt das Landtagsschloss“, 2. November 2006Als Neupotsdamer heule ich vor Entsetzen auf, nach dieser Entscheidung.

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„Patt kippt das Landtagsschloss“, 2. November 2006

Als Neupotsdamer heule ich vor Entsetzen auf, nach dieser Entscheidung. Die ganze Breite Straße ist eine einzige Barbarei für das Auge – mit Ausnahme der historischen Gebäude. Das fängt an dem austauschbaren Hauptbahnhof an – gesichtslos, einfallslos. Dann dieses scheußliche Hotel am Schlossplatz und der Platz erst selbst. Himmel! Ein Gang die Straße runter kann man sich eigentlich nur mit verbundenen Augen zumuten: Zur Linken der triste IHK-Neubau. Rechts die hässlichen Studentenheime. So ziehen sich ältere und neue Architekturbarbareien weiter in Richtung Brandenburger Vorstadt. Wer trifft nur solche planerischen Entscheidungen für diese sonst so wunderschöne Stadt? Außer der Altbausubstanz findet sich nichts Ansehenswertes in Potsdam. Das sollte den Verantwortlichen zu denken geben. Die einzige Position in der Abstimmung über den Schlossneubau, die ich verstehe, ist die der Grünen: Keine so genannte „kritische Rekonstruktion“, sondern Treue zum Original. Alles andere ist in meinen Augen lächerlich.

Ein Beispiel aus Polen: Warschau ist eine hässliche Stadt, bis auf einen Ort: Die historisch wieder aufgebaute Altstadt rund ums Schloss. So hat Warschau ein Herz, das viele Touristen besuchen. Das ist in Potsdam nicht anders.

Jürgen Schneider, Potsdam

Frauenkirche und Potsdamer Stadtschloss

Man stelle sich vor, Finanzminister Speer verhandele mit der Stadt Dresden über eine „weitläufige Kopie“ der Frauenkirche. Modern und äußerlich abgespeckt. Es würde eine Investitionssumme genannt, die nur beinahe den Innenausbau umfasst. Parole: Jetzt oder Nie! Ein Aufschrei der Entrüstung wäre die Folge. Mit jedem Abstrich vom Original würden die Spender vom Projekt abfallen. Die Tourismus-Welle, die Dresden seit dem Richtfest erlebt, wäre ausgeblieben. Und bei Knobelsdorf''s Stadtschloss in Potsdam? Sein architektonischer Wert ist unbestritten. Es war Teil eines einzigartigen Ensembles. Das lässt sich nicht wieder herstellen, wenn ein Element als „weitläufige Kopie“ deutlich abfällt. Über Jahrzehnte wurde die Entfernung der Ruine kritisiert und ideologisiert. Heute, wo die Wiedergutmachung freisteht, erlebt man ein Gezerre, ein Schmierentheater. Baugrenzen statt Baulinien.

Und ein unseriös aufgebauter Druck zur Entscheidungsfindung der Stadtverordneten. Ihr Mut ist zu loben. Die kleine Schar um Saskia Hüneke hat bewiesen, dass sie ihren Traum nicht dem schnöden Mammon und den Bedürfnissen wohlversorgter Landtagsabgeordneter opfert. Deren zur Zustimmung drängendes Geschwätz beweist fehlende Sachkenntnis. Das kategorische „Jetzt oder Nie“ ist Trug. Natürlich kann man seinen Traum bewahren. Vielleicht erkennen andere den enormen Wert einer originalgetreuen Wiederherstellung des Potsdamer Stadtschlosses als einmalige Investition in die Zukunft. Besser kann man das Loch auf dem Alten Markt nicht schließen. Beim Glienicker Horn, beim Hauptbahnhof, beim „Alten Rad“ wurden die Weichen falsch gestellt. Es wird Zeit, dass Potsdam und ein Zeichen setzt, das uns an die Seite der glücklichen Dresdener bringt.

Bernd-R.Paulke, Potsdam-Eiche

Speer möge die Reißleine ziehen

Wenn die Bedingungen für den Bau am Alten Markt nicht mehr stimmen, wird der Kreml saniert – so zupfte Finanzminister Speer an der Reißleine. Er möge sie ziehen. Der Landtag auf dem Brauhausberg besitzt eine positive, emanzipatorische und demokratisierende Kontinuität, der sich die Mandatstragenden in Stadt und Land nicht verschließen dürfen. Reichskriegsschule, Heeresarchiv, NPEA (=Napola), vorübergehender Sitz des brandenburgischen Finanzministeriums, Nutzung durch die Bezirks-SED, um dann die ersten frei gewählten Brandenburger Abgeordneten zu beherbergen. Was ist daran nicht positiv? Wenn das nicht identitätsstiftend ist, was ist es dann? Im Leserbrief von Herrn Kuke klingt an, dass er mit dem Stadtschloss-Landtag endlich städtebauliche und mentalitätsgeschichtliche Wunden heilen möchte. Jene Schmisse zu glätten, die der preußisch-deutschen Erzählung nach der Reichsgründung 1870/71, diesem „zukunftsweisenden“ Projekt deutscher Nationalstaatsbildung, zugefügt wurden. Wenn also der imaginierte Dachfirst des Stadtschloss-Landtages und seine historische Narration auf diese Weise errichtet wird, dann ist das Gebäude jetzt schon ein Wechselbalg aus „Dreck und Letten gebacken“, der mit dem notwendigen plebiszitären Brimborium begründet werden muss.

Diesen königliche Ablehnungsspruch der 1848er Revolution sollten sich Mandatsträger bei ihrer Entscheidung in Erinnerung rufen und sich im politischen Heute endlich selbst verankern.

Heiner Stahl, Potsdam

Ein Neubau für die Öffentlichkeit

Die ganze Diskussion um das Stadtschloss ist für mich unverständlich. Der Neubau würde mich nicht stören, wenn es der Öffentlichkeit zu gute käme. Aber unsere Politiker brauchen eine schöne Residenz. Das halte ich für vermessen. Eine sinnvolle Nutzung wäre die Unterbringung der Stadt-und Landesbibliothek und der Fachhochschule. Woher kommen denn die Gelder? Das sind Steuergelder. Was habe ich davon, wenn ich mitten in der Stadt der Landtag sitzt? Herr Speer, ich habe volles Verständnis für die Entscheidung.

Stefan Blagnies, Potsdam

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