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Lesermeinung: Ausgesperrte Presse – Unangemessene Erregung und Ludwig-Bashing?

„Brandenburg: CDU sperrt Journalisten aus, Reiche gewinnt“ (19. Oktober auf www.

Stand:

„Brandenburg: CDU sperrt Journalisten aus, Reiche gewinnt“ (19. Oktober auf www.pnn.de) und „Volle Drift voraus“ vom 20. Oktober

Am Nachmittag (des 19. Oktober; Anm. d. Red.) las ich auf Ihrer Internetseite, die CDU in Werder würde Journalisten in einem Nebenraum unterbringen, weil ohnehin schon zu wenig Platz für die Mitglieder im Saal sei. Die ganze Nachricht war völlig unaufgeregt. Im Fernsehen sah ich dann am Abend Bilder von einem komplett überfüllten Raum – in dem Menschen anwesend sind, die einen formalen Akt der Kandidatenkür vorzunehmen haben. Also nur logisch, dass gemacht wird, was angekündigt war: Platz für Journalisten im Nebenraum statt Herumrennen und mit der Kamera durch die übervollen Reihen stolpern von zahllosen sensationshungrigen Medienvertretern.

Und jetzt lese ich plötzlich vom Taka-Tuka- Land und von einem Eklat. Wie kann man denn am Nachmittag schon korrekt beschreiben, wie es kommen wird (eigener Raum, da wenig Platz...), und dann am Abend so tun, als sei man vollkommen überrascht und erwarte eine Entschuldigung etc.?

Ich habe den Eindruck, Sie betreiben hier ein „Bashing“ gegenüber jemandem, der es gewagt hat, diejenigen zu kritisieren, die den ganzen Tag berufsmäßig nichts anderes tun, als zu kritisieren. Die Skandalisierung eines von Ihnen selbst Stunden vorher unaufgeregt angekündigten Vorgangs ist jedenfalls kein Zeichen von Qualitätsjournalismus.

Ich würde mich freuen, Sie dächten nochmal darüber nach, ob Ihre Aufregung angemessen ist. Peter Kreilinger , Werder (Havel)

Sehr geehrter Herr Kreilinger, ja wir hatten vorher schon gehört, dass die CDU plant, die Journalisten nicht in den Saal zu lassen, in dem die Kampfkandidatur Saskia Ludwigs gegen Katherina Reiche um die CDU-Direktkandidatur im hiesigen Wahlkreis ausgetragen werden soll. Nur hatte niemand glauben können, dass dies dann auch so durchgezogen wird, dass eine Volkspartei mit Regierungsanspruch nicht in der Lage ist, einen Raum zu finden, in den erstens die Mitglieder und zweitens auch unabhängige Berichterstatter passen. Dass Journalisten in einen Nebenraum gesteckt werden, kennt man sonst nur von großen Konferenzen wie dem G8-Treffen. Doch dort wird dann zumindest für die Bild- und TV-Kollegen ein Pool gebildet, sodass innen zumindest einige für alle unabhängig Bilder einfangen können. Wohlgemerkt: Wir reden hier von einer Kreis-CDU, die zuvor darauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Raum zu klein ist, die gar zunächst erwogen hatte, nicht einmal eine Videoübertragung zuzulassen – und das bei einer Kür mit Kampfkandidatur, einem Ereignis von öffentlichem Interesse also. Dass eine der beiden Kontrahentinnen ein sehr angespanntes Verhältnis zu vielen Medien im Land hat, machte es nicht einfacher, an Zufall zu glauben: Der Platzmangel war aus meiner Sicht kalkuliert. Frau Ludwig hatte im Übrigen als Oppositionsführerin im Landtag das Wort „Transparenz“ einer Monstranz gleich vor sich her getragen – als Forderung anderen gegenüber.

Die Frage ist doch, wie Journalisten sich über das ein Bild machen, was die CDU-geführte Kamera nicht einfängt? Wie sollen Zwischenrufe gehört werden, wenn der Saalton sie nicht hörbar macht? Wie sollen Journalisten Stimmungen einfangen und der Öffentlichkeit ein einigermaßen realistisches Bild liefern – wortwörtlich bei den Kollegen vom Fernsehen? Wer garantiert, dass Tonprobleme oder -ausfälle bei der Übertragung kein Zufall sind? Im Grundgesetz ist die unabhängige, freie Presse verankert. Es gilt auch in Werder.

Gefährlich erscheint mir, dass es mit der Argumentation der mittelmärkischen CDU für Parteien, staatliche und öffentliche Einrichtungen etc. ein Leichtes wäre, die unabhängige Presse auf Abstand zu halten: Man müsste einfach immer nur zu kleine Räume mieten. Die Demokratie lebt aber von öffentlich herbeigeführten Entscheidungen. Im Landespressegesetz heißt es: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe insbesondere dadurch, dass sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt.“ Wie wollen Sie sich anhand unserer Berichte eine Meinung bilden, wenn wir nicht wissen, wie sich was im Saal abgespielt hat?

Was ich gar nicht teile, ist die Charakterisierung von Journalisten als in Summe sensationshungrige Kaste von Nur-Kritikern. Die Kollegen machen ihre Arbeit: Sie berichten, decken auf, analysieren und kommentieren. In erster Linie informieren wir. Auch über die CDU. Auch aus Werder.

Peter Tiede ist Chefredakteur der Potsdamer

Neuesten Nachrichten und der Internetseite pnn.de

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