Lesermeinung: BRIEF-MIX
Zu „Platzeck plant Befreiungsschlag“, 4. 10.
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Zu „Platzeck plant Befreiungsschlag“, 4. 10. Bildungspolitik ist meist nur zu Wahlkampfzeiten ein Thema. Doch seit PISA wird auch öffentlich wieder verstärkt über Bildung diskutiert. Und das ist gut so. Umso irritierender ist es, dass die künftige Brandenburgische Bildungspolitik nach dem von der SPD so souverän, offen, rational und deshalb auch erfolgreich geführten Wahlkampf nun anscheinend doch wieder zu einem parteipolitischen Spielball wird. Wie ist es anders zu erklären, dass Steffen Reiche trotz seiner erfolgreichen Politik künftig nicht mehr dem Kabinett angehören soll? Kann der Verweis auf lange Amtszeiten wirklich ein Argument sein, das disqualifiziert? Verkündet Niedersachsen zur Zeit den Austritt aus der Kultusministerkonferenz, so scheint man in den laufenden Koalitionsverhandlungen im Land Brandenburg zu vergessen, dass es auch auf die Initiative des bisherigen Ministers Steffen Reiche zurückzuführen ist, dass erstmalig in der Bildungsgeschichte der Bundesrepublik drei Bundesländer einheitliche Lehrpläne konzipiert haben. Zusammen mit der Kultusministerkonferenz! Darin drückt sich auch ein Bildungsverständnis aus, das nicht auf Gleichmacherei, sondern vernünftigerweise auf Autonomie der Schulen und eine Individualisierung des Lernens setzt und zudem nicht einem falsch verstandenen Standardisierungswahn verfällt. Dass die SPD an der sechsjährigen Grundschule festhält, ist zu begrüßen. Auch der Kompromiss, der sich in Bezug auf die Sekundarschulen abzeichnet, ist ein gutes Zeichen. Doch Bildungspolitik kann und sollte sich nicht nur auf programmatische Kontinuitäten verlassen. Eine Kontinuität im Amt ist gerade in bildungspolitisch bewegten Zeiten und nach den Entscheidungen der letzten Monate unverzichtbar. Denn auch innerhalb von Institutionen hat ein Lernprozess stets eine personale und dialogische Komponente. Dass bei der Bildung eines neuen Kabinetts über ein neues Team nachgedacht wird, ist ebenso selbstverständlich wie vernünftig. Aber ebenso vernünftig sollten auch die Argumente und vor allem die Alternativen sein. Warum ausgerechnet die aus der Bürgerbewegung gemeinsam mit Matthias Platzeck hervorgegangenen Wolfgang Birthler und Steffen Reiche dem Kabinett nicht mehr angehören sollen, ist schon irritierend. Ebenso irritierend ist es, dass man dem Bildungsminister und Mitbegründer der Ost-SPD anlastet, „ideenreich“ und intellektuell und (deshalb?) „nicht sonderlich beliebt“ zu sein. Ist intellektueller Ideenreichtum nicht eigentlich genau das, was ein Land wie Brandenburg braucht? Dr. Jörg-W. Link, Potsdam
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