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Lesermeinung: Bürgerbefragung zum Landtagsneubau in der Potsdamer Mitte

Ergebnis gründlich verfälschtSehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Ich wundere mich, wie Sie Ihre Rechnung machen.

Stand:

Ergebnis gründlich verfälscht

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Ich wundere mich, wie Sie Ihre Rechnung machen. Es ist richtig, dass etwa 43 Prozent für das Stadtschloss stimmten, doch da Sie die Gegenstimmen klug auf drei weitere Standorte verteilten, haben Sie so das Ergebnis gründlich verfälscht! Nun sagen Sie „super! – die Mehrheit ist dafür“. Rechne ich aber die Stimmen, die nicht dafür sind, bekomme ich zirka 57 Prozent! Außerdem ging es in der Bürgerbefragung nur um den Schlossneubau, die Fragestellung ermöglichte es nicht, für einen zeitgemäßen Bau abzustimmen. Das macht wütend! Ich finde es frech, die Menschen so für dumm zu verkaufen. Was ist mit der Bibliothek, Kindergärten, Fahrradwegen? Ach ja richtig, das zieht keine Wirtschaft an und Lobbyisten fahren nicht Fahrrad und deren Kinder gehen nicht in einen städtischen Kindergarten. Ich wünsche den demokratisch gewählten Volksvertretern eine schöne Zeit in einem Neomonarchistischen Schloss. Ich gründe demnächst einen Verein zur Errichtung von mittelalterlichen Bretterbuden, so wie sie einst zum Stadtbild gehörten ... Lust mit zumachen

Rico Martin, Potsdam

Schlossfront zum dritten Mal eingebrochen

Das Stadtschloss ist wieder nur außen vor statt mittendrin. Die Schlosskoalition ist mit gerade einmal zwei Fünfteln Zustimmung (42,8 Prozent) im gleichen Maße kläglich gescheitert wie bei der letzten Stadtverordneten-Entscheidung über die Bebauung des Alten Marktes. So muss man diese Schein-Befragung der Potsdamer Bürger lesen. Denn nicht einmal die Hälfte der Potsdamer hielt es für nötig, sich daran zu beteiligen. Das von der politischen und medialen Schlosskoalition nun als Erfolg verkaufte Meinungsbild lag schon in der Nicht-Fragestellung und in der Aufsplitterung von Gegenentwürfen absehbar vor. Die Potsdamer Umfragedemokratie funktionierte an der Schloss-Frage eben nicht, auch unter diesen günstigen Vorzeichen nicht. Die Hauptdarsteller in dieser Soap-Opera, in diesem Schmierentheater, hatten ein anderes Drehbuch vorgesehen.

Einige, besonders bei den Fraktionsvorsitzenden, sollten lernen, dass man nach der dritten Strafrunde kein Rennen mehr gewinnen kann.

Heiner Stahl, Potsdam

Die Mehrheit zum Verlierer gemacht

Was sagt uns das Ergebnis? Dass nun auch die PDS sich bewegen muss? Ich verfolge seit Jahren den sich hinziehenden Streit um das Stadtschloss. Wenn man die Entwicklung zusammenfasst, sieht es so aus, dass Politiker und Journalisten, in der Öffentlichkeit nach dem Motto verfahren: Man muss Behauptungen wiederholen, dann werden sie irgendwann zur Wahrheit. Oder auch: Wir stimmen so lange ab, bis uns das Ergebnis passt. Die Abstimmung zum Schlossstandort war eine Farce, das System ausgeklügelt. Indem man die Gegner spaltet (die ja immerhin noch 57,8 Prozent ausmachen), wird die Mehrheit zum Verlierer. Ich staune, dass die PDS diesem Verfahren zustimmte. Von der Auswertung war ich (und nicht nur ich) überrascht, dass plötzlich eine Prozentzahl von Gegnern des Aufbaus auftauchte. Ich habe auf dem „Wahlzettel“ die Möglichkeit eines Votums gegen den Bau nicht gelesen. Als Gegenvotum hatte ich die Speicherstadt gewählt, um den Manipulierern das Feld nicht ganz zu überlassen. Ich schlage für die nächste Abstimmung folgendes vor: Ich möchte das Stadtschloss originalgetreu, weil unseren selbstherrlichen Volksvertretern ein ihrer Position und ihrem Verhalten angemessenes Gebäude zusteht.

Ralf Schmegner, Potsdam

„Stimmen zum Ergebnis der Bürgerbefragung“, 6. Januar 2007

Die Äußerungen von Frau Tack lassen bei mir erheblichen Zweifel an ihrem Demokratieverständnis aufkommen.

Welches Verständnis steht hinter der Umdeutung der Mehrheit für den

Stadtschlossstandort in eine Ablehnung der Mehrheit der Potsdamer? Ist Frau Tack mit solchen Äußerungen

wirklich im demokratischen Gedankengut angekommen? Außerdem gab es in der – auch von der PDS befürworteten Befragung – drei plus eine Variante. Demokratische Grundregel ist, dass die Mehrheit der Stimmen zählt. Eine solche Äußerung von Frau Tack finde ich beschämend.

Was würde demnach Frau Tacks letztes Wahlergebnis bedeuten? Dass die Mehrheit der Wähler im Grunde gegen Frau Tack in ihrer jetzigen Mitgliedschaft des Brandenburgischen Landtages ist? Zur Erinnerung: 2004 wählten 31,7 Prozent im Wahlkreis Potsdam 1 Frau Tack. Nach ihrer eigenen Lesart würde das heißen, dass 68,3 Prozent gegen Frau Tack.Alle Stadtverordneten haben in dieser Frage nun die Meinung der Bürger eingeholt. Auch die Abgeordneten der PDS müssen das eindeutige Votum respektieren und den Willen der Mehrheit

umsetzen.

Mario Benz, Potsdam

Stichwahl wäre der richtige Weg

Wie kommen unsere Politiker darauf, dass die Mehrheit der Potsdamer ein Stadtschloss möchte? 42,8 Prozent sind deutlich weniger als 50 Prozent! Und das obwohl die Fragestellungen der Umfrage das Stadtschloss unfair bevorzugten. In unserer Familie stimmten wir unterschiedlich ab. Aber egal, ob wir uns für die Speicherstadt oder den Brauhausberg entschieden haben, das Stadtschloss wollen wir alle auf gar keinen Fall.

Wenn nun die PDS ihre vor der Wahl versprochene Position gegen das Stadtschloss aufgibt, obwohl die Mehrheit kein Schloss will, enttäuscht mich das sehr. Ich fühle mich durch die Bürgerbefragung benutzt: Mit meinem Votum wurde dieses Theater legitimiert. Wenn es der PDS ernst ist mit der Bürgermeinung kann sie doch eine Stichwahl zwischen Speicherstadt und Schloss beantragen. Das wäre jedenfalls in einer Demokratie der logische Weg.

Doreen Pasch, Babelsberg

Sind die Bürger nicht mündig genug?

Nun ist sie also entschieden. Aber ist das ein großer Gewinn für die Stadt und die Demokratie? Wohl kaum. Die Bürger konnten nicht entscheiden, ob sie einen Schlossneubau wollten – zumindest äußerlich – sondern nur, wo was hinkommen soll. Wie das dann aussieht, die Entscheidung behalten sich kleine Cliquen in der Stadtverordnetenversammlung vor. Offensichtlich hält man dort die Bürger eines echten Schlossvotums für nicht mündig genug. Es hätte ja womöglich eine Entscheidung für das originalgetreue Schloss geben können.

Was kommt stattdessen? Ein Architekturverbrechen erster Klasse. Ist es Dummheit oder Borniertheit, die die Stadtverordneten antreibt? Wahrscheinlich beides. Das Verhalten erinnert daran, dass ein Hund unbedingt an die Laterne pinkeln muss, an die schon ein anderer gemacht hat. Sprich: Es darf nicht sein, dass man etwas rekonstruiert, was schon ein anderer besser gemacht hat, auch wenn es noch so harmonisch ins Stadtbild passen würde. Was ist das Ergebnis? Ein entsetzlicher Schandfleck wird mitten im Herzen Potsdams entstehen und der Bürger fühlt sich wieder einmal verschaukelt, denn seine Meinung war nicht gefragt. Und da klagen dieselben Politiker über „Demokratiemüdigkeit“. Sie sind es, die sich als „Totengräber“ kräftig betätigen.

Jürgen Schneider, Potsdam

B-Plan schreibt nicht primär Fassadengestaltung vor

Das – natürlich formell nicht rechtsverbindliche – Bürgervotum hat durch eindeutige relative Mehrheit von 42,8 Prozent das Schloss als Landtagsneubau befürwortet. Der entsprechende Bebauungsplan wird am 31. Januar hoffentlich eine deutliche Mehrheit im Stadtparlament finden. Das dürfte kein Problem sein, weil – entgegen dem Anschein – ohnehin die meisten Stadtverordneten für und nicht gegen das Schloss sind. Für diejenigen (Grünen), die bislang gegen den B-Plan stimmten, weil er auch eine modernistische Fassade nicht ausschloss (aber nicht vorschrieb) folgende Erklärung: Bei einem B-Plan geht es primär noch nicht um die Fassadengestaltung. Das kann jeder im Baugesetzbuch nachlesen. Dort steht im Paragraph 9, dass der B-Plan vor allem Art und Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und deren Höchstmaße sowie Nutzungszweck der Flächen festlegt, also eigentlich nur Bauvolumen und -zweck begrenzen will. Hält der Bauherr diese Grenzen ein, so ist er in der Fassadengestaltung, frei. Allerdings kann die Stadt Potsdam nach Paragraph 81 der brandenburgischen Bauordnung örtlich Bauvorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen erlassen, soweit es zur Verwirklichung städtebaulicher Absichten, insbesondere der Gestaltung des Ortsbildes, erforderlich ist, und dies auch in den B-Plan aufnehmen. Hierum geht es.

Es geht darum, wie Herr Lunacek von der CDU-Fraktion richtig sagte, der „historischen Mitte die städtebauliche Seele zurück zu geben“. Sicher meinen die Grünen, als schärfste Befürworter des Knobelsdorffschen Originals, das in etwa auch so. Und in der Tat soll ja das historische Ensemble repariert werden, das nun einmal durch die Schlösserlandschaft und Nikolaikirche, Altes Rathaus und Marstall vorgegeben ist. Eine glatte Fassade wirkte da als „Schlag ins Gesicht“. Das muss auch Herr Speer, der als Kassierer des Bauherrn (Land Brandenburg) zu recht auf die Kosten achtet, einsehen.

Merke: Auch beim Neubau (weil ja alles weg ist) muss so verfahren werden, wie wenn bei einer noch vorhandenen Ruine behutsam in Abstimmung mit dem Denkmalschutz restauriert würde (so wie z.B. das Schloss Sanssouci nach Beschädigung durch Terroristen). Das Stadtbild Mitte sollte schon „historisch“ bleiben. Darunter müssen die (notwendigen) Raumvorstellungen nach innen nicht unbedingt leiden. Gleichzeitig erhoffen wir hierdurch eine Initialzündung für den sich westlich anschließenden historischen Blickpunkt, die Hof- und Garnisonkirche.

Rechtsanwalt Dr. E.M. v. Livonius, Schwielowsee, Ortsteil Geltow

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