Lesermeinung: „DDR-Gebäude sind gesichtslose Zweckbauten“
Zu: „Umgang mit DDR-Architektur in Potsdam: Verschwindende Brüche“, von Martin Sabrow,Die Gegenüberstellung „DDR-Architektur und Barockarchitektur“ in Potsdam ist absolut ungleichgewichtig und überflüssig. Die DDR-Architektur hat keine erhaltenswerte Bauwerke in Potsdam hervorgebracht.
Stand:
Zu: „Umgang mit DDR-Architektur in Potsdam: Verschwindende Brüche“, von Martin Sabrow,
Die Gegenüberstellung „DDR-Architektur und Barockarchitektur“ in Potsdam ist absolut ungleichgewichtig und überflüssig. Die DDR-Architektur hat keine erhaltenswerte Bauwerke in Potsdam hervorgebracht. Wir müssen aus ökonomischen Gründen mit ihnen leben. Ich kenne keinen DDR-Architekten, den man nur annähernd in eine Reihe mit Knobelsdorff, Unger, Gerlach oder Schinkel stellen könnte. Städtebaulich war Potsdam und sollte es wieder werden eine Barockstadt mit einem sehr bescheidenen, zurückhaltenden und vornehmen barocken Antlitz. Warum kommen Touristen außer zu den Schlössern auch in die Stadt Potsdam? Nicht wegen Kaffee Minsk, Schwimmhalle am Brauhausberg, wegen des ehemaligen Interhotels oder der neu erstandenen Französischen Straße, sondern wegen Altem und Neuem Markt und den noch erhaltenen oder wiedererstandenen Barockstraßen, wie Wilhelm-Stab- und Kietzstraße. Die DDR-Bauten sind gesichtslose Zweckbauten, die allerorten von Le Havre bis Frankfurt (Oder) zu finden sind – für keinen Menschen interessant, außer als Zeitdokument von Notsituationen, die es auch immer gegeben hat. Potsdam ist für seine Bürger und die zahlreichen Zuzügler interessant wegen seiner Lage, der noch erhaltenen historischen Bausubstanz und der intelligenten Restaurierung kriegszerstörter oder während der DDR-Zeit barbarisch geschleifter Bausubstanz von hohem kunsthistorischen Wert. In diesem Zusammenhang: Das Potsdamer Stadtschloss war nach dem Bombenangriff am 14 April 1945 keineswegs so zerstört, dass nur eine Abtragung, wie es das SED Regime veranlasst hat, infrage gekommen wäre.
Natürlich gibt es DDR-Veteranen, die noch nicht gemerkt haben, dass in St. Petersburg, Danzig und Warschau kunsthistorisch wertvolle Bauwerke nach dem Krieg wiedererstanden sind. Sehr zur Freude der kultivierten Menschheit und der Menschen insgesamt. Also was soll diese überflüssige mit leeren intellektuell verbrämten Worthülsen ideologisch überfrachtete Polemik gegen die Restaurierung und Wiederherstellung städtebaulicher Kunstwerke?
Dr. Norbert Brandt, Potsdam
Dankbar für die Äußerung von Martin Sabrow zur Potsdamer Bausituation
Da ich Professor Martin Sabrow als objektiv argumentierenden Wissenschaftler schätze, bin ich dankbar, dass er ausführlich zur Potsdamer Bausituation zu Wort kam. Eine Wohltat nach problematischen Äußerungen von Alexander Gauland und neben den Hassgesängen einer Saskia Ludwig. Das Lamento über eine permanente Opfersituation in einem kleinlich und armselig geredeten Brandenburg, das sie „eine kleine DDR“ nennen, ist kaum noch zu ertragen. Sabrow kann sich nur mit uns wundern, wie fast widerspruchslos eine „Veraltertümelung“ der Stadt durchgesetzt wird. Die Stimmungsmache gegen DDR-Bauten als „steinerne Tatwerkzeuge“ und „Störfaktoren ohne weiteres Existenzrecht“ verwundert ihn zwar – am Ende aber akzeptiert er das Ergebnis. Wir sind geübte Realisten und tun es ihm gleich. Viel kritischer analysierte 2006 der Schriftsteller Ingo Schulze ähnliche Tendenzen zum pseudo-historischen Neubau in seiner Heimatstadt Dresden: „Zwischen der Seelenlosigkeit des Bau-Surrogats gewinnen plötzlich die geschmähten Bauten der DDR-Zeit ein markantes, ja geradezu menschliches Gesicht“ schrieb er zum „Mythos Dresden“. Arme Zeitgenossen Herrn Gaulands, die sich nach dem Drücken eines friderizianischen Dreispitzes auf ihr Haupt einen klareren Blick auf die Gegenwart erhoffen. Arme Geschlechtsgenossinnen von Frau Ludwig, die nach Anlegen einer Königin-Luise-Krinoline auf mehr Bewegungsfreiheit setzen, und doch nur in ein höfisches Umfeld stolpern.
Harald Kretzschmar, Kleinmachnow
Zu: „Kulturgeschichtlich wertvoll“, 25.1., „Immer dieselbe Platte ?“, 31.1., „Linke: Mitteschön verliert Maß“, 3.2.
Es hat den Anschein, als ob überwiegend Personen zu Wort kommen, die sich für den Erhalt von DDR-Architektur einsetzen und die suggerieren, dass es in Potsdam Kräfte gibt, die alles zwischen 1945 und 1989 Gebaute aus dem Stadtbild verbannen wollen. Aber wenn es um Abriss geht, stehen momentan nur wenige Gebäude zur Debatte, die wirklich die Innenstadt verschandeln. Dazu gehören das Fachhochschulgebäude, das ehemalige Rechenzentrum und das Wohngebäude Staudenhof. Darüber wurde jahrelang diskutiert und es gibt Beschlüsse dazu. Nur Die Linke versucht mit populistischen Forderungen, die eindeutige Beschlusslage zu torpedieren. Ihre Argumente sind: „Bezahlbare Wohnungen“ und „Erhalt der Architektur als Teil der DDR- Geschichte“.
Man kann aber nicht das Staudenhof-Gebäude für ewige Zeiten so erhalten, wegen 180 bezahlbarer Wohnungen. Vor dem Grundsatz, dass Mieten bezahlbar sein müssen, steht zunächst die Notwendigkeit, dass Mieten kostendeckend sein müssen.
Das Staudenhof-Gebäude ist zudem keine architektonische Meisterleistung, und wenn es saniert werden muss, ist man gezwungen, die Mieten zu erhöhen. Im Ergebnis einer Sanierung hätten wir, neben dem Bibliotheksgebäude, einen zweiten Baukoloss in der Stadtmitte. Ich verstehe das Jammern der Leute nicht, die befürchten, dass die DDR-Vergangenheit aus dem Stadtbild verschwindet. Ein Großteil der Bausubstanz aus DDR-Zeiten steht gar nicht zur Disposition. Niemand hat die Absicht, die Wohngebiete Stern, Waldstadt, Zentrum-Ost, Potsdam West, Kirchsteigfeld abzureißen. Auch das, was Anfang der 50-er Jahre im Rahmen des Wiederaufbaus entstanden ist (zum Beispiel: Wilhelm-Staab-Straße, Yorckstraße) hat Qualität. Selbst der in den 80er Jahren entstandene DDR-Beton-Barock wird nicht der Abrissbirne zum Opfer fallen.
Für mich sind die bereits erfolgten und die geplanten Abrisse von DDR-Gebäuden kein Verlust. Ich würde sogar noch einige hinzufügen: an erster Stelle die Platte in der Jägerallee. Die Einförmigkeit der Architektur versuchte man zu mildern, indem man die Außenwand in drei Farbtönen gestaltete. An dieser Stelle standen mehrere Stadtvillen, die, wenn sie 1988 nicht abgerissen worden wären, heute wie die Villa Haacke aussehen würden. Der Erhalt dieses Gebäudes hätte nur Berechtigung als ein Beispiel für den Verfall der Bauarchitektur in der Endzeit der DDR.
Wolfram Maede, Potsdam
„Linke: Mitteschön verliert Maß“, 3.2.
Demokratisch gewählte Gremien haben mit großer Mehrheit den Abriss des Staudenhof-Blockes beschlossen. Es wäre nun endlich Zeit, einmal gefasste Beschlüsse auch zu akzeptieren. Leider fehlt die sachliche Auseinandersetzung. Ich hörte von einem Studenten, der nach wenigen Monaten den Staudenhof verlässt, da die Hellhörigkeit kein Wohnen nach heutigen Maßstäben zulässt. Wie können Sie also im Namen von 180 Bewohnern sprechen? Der Einsatz von freien Bürgern über Partei-Grenzen hinweg, resultiert nicht aus „altpreußischer Projektion“, sondern aus einem intakten Gefühl für gewachsene und ästhetisch ansprechende Stadt-Strukturen. Nicht jeder, der monströse, marode Beton-Klötze ablehnt, will seinen alten Kaiser wieder haben – und plädiert auch keinesfalls für den Abriss der gesamten DDR-Bauten. Erhalten bleiben sollten sie dort, wo wirklich Architektur im Spiel war. Ja, auch darin stimme ich Ihnen zu: Potsdam soll eine Stadt für alle sein. Es muss und soll bezahlbare Wohnungen in Potsdams Mitte geben. Aber diese sind auch in einer neuen Bebauung planbar und würden zudem noch den heutigen Anforderungen an Wohnraum genügen können.
Liane Carstens, Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: