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Lesermeinung: Debatte geht an der realen Situation vorbei

Zur Leserpost unter: „Fluchtwohnung für homosexuelle Jugendliche wird gebraucht“, 27.5.

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Zur Leserpost unter: „Fluchtwohnung für homosexuelle Jugendliche wird gebraucht“, 27.5.2008

Mit Verwunderung nehme ich die Debatte zur Kenntnis. Mir scheint, dass hier eine Forderung aufgestellt wird, die an der realen Situation von jungen Lesben, Schwulen und Transsexuellen in Brandenburg vorbei geht. Tatsächlich kommt es nicht selten vor, dass Jugendliche, die sich ihren Eltern gegenüber „outen“, mit großen Problemen konfrontiert werden, die bis zum Rausschmiss reichen können.

Für derartige Fälle, von denen aber bei weitem nicht nur homo-, bi- oder transsexuelle Jugendliche betroffen sind, gibt es im Land Brandenburg betreute Wohnprojekte, die mit ausgebildeten SozialarbeiterInnen besetzt sind. Wie ich aus eigenem Erleben berichten kann, verfügt allein Potsdam über eine Vielzahl von Angeboten, die über die zuständigen Jugendämter vermittelt werden und auch die ländlichen Regionen haben derartige Einrichtungen. Tatsächlich liegen die Probleme für Jugendliche, die in ihrer sexuellen Identität von der vorgegebenen gesellschaftlichen Norm abweichen, in ganz anderen Bereichen. Lehrer und Eltern sind oftmals überfordert, uninformiert und ihren eigenen Vorurteilen erlegen, wenn es um Schwule, Lesben und Transgender geht. Finanzielle Mittel, die eine Fluchtwohnung und die zwingend dazugehörige Sozialarbeiterstelle kosten würden, könnten wesentlich besser in Aufklärungsarbeit investiert werden, die der heterosexuellen Gesellschaft deutlich macht, dass ein „Abweichen von der Norm“ keine Gefahr darstellt, sondern eine Bereicherung. Erst, wenn nach persönlichen Gesprächen mit dem Elternhaus und dem Hinzuziehen des Jugendamtes tatsächlich keine Lösung gefunden werden kann, dann ist – das ist gesetzlich sogar vorgeschrieben – eine Unterbringung des Jugendlichen in einer betreuten Einrichtung auch in Brandenburg möglich.

Der in den Leserbriefen so kritisierte Verein AndersARTiG e.V. und die Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange leisten seit Jahren eine sehr erfolgreiche Arbeit in der Sensibilisierung von Eltern, Lehrern, Sozialarbeitern und vieles mehr und das nicht selten gemeinsam mit „betroffenen“ Jugendlichen, wie ich ebenfalls selbst bestätigen kann.

Diese Arbeit könnte noch weiter ausgebaut werden, würden finanzielle Spielräume erweitert und die Zusammenarbeit mit dem Verein durch andere stärker gesucht. Es stünde den genannten Wirten der Potsdamer Szenekneipen gut zu Gesicht, würden sie Jugendliche, die anscheinend zu Dutzenden an ihrer Bar sitzen, über die vorhandenen Beratungsangebote in Potsdam und dem Land Brandenburg informieren.

Robert Leichsenring, Potsdam

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