zum Hauptinhalt

Lesermeinung: „Der zackige Humor des preußischen Offizierskasinos“

„Kritik an Äußerung von Kabarettistin“, 21.2.

Stand:

„Kritik an Äußerung von Kabarettistin“, 21.2.

Werte Architekten! Da habe ich wohl ihre ganze Gilde mit meinen Worten aufgescheucht! So ein bisschen Satire, zumal sie aus dem Munde einer Kabarettistin kommt, ist wohl schwer zu verkraften. Da muss ich Ihnen sagen, da sind die Politiker aber schon viel weiter. Ich gebe zu, sie sind radikal meine Worte, aber das hat den Vorteil, dass wir in die Diskussion kommen.

Diese Bemerkung meinerseits, die natürlich satirisch gemeint war – und so wurde es auch von allen auf dem Platz verstanden – sollte einfach mal nur mein total gestörtes Verhältnis zur modernen Architektur dokumentieren. Oftmals verlässt sie jegliches menschliche Maß oder strotzt vor Hässlichkeit, wie der Bau der IHK in der Breiten Straße, der mehr einem Schießstand gleicht, als einem Bau mit ästhetischen Werten.

In der Presse war vorher zu lesen, dass er in Gestalt und Form der Potsdamer Architektur nachempfunden werden soll. Als er dann stand, haben wir Potsdamer einen großen Schreck bekommen. Und so gibt es noch eine Reihe von Neubauten, die unsere Stadt regelrecht verletzen. Ausnahmen bilden der gelungene Bau am Neuen Markt und unser neues Theater. Das letzte Beispiel, was bei mir Entsetzen auslöste war, ein von den Dozenten der Fachhochschule umjubelter Entwurf einer Studentin, die einen kahlen Steinwürfel als ein Haus für Brandenburg kreierte, den sie sich am Alten Markt gegenüber dem Schloss vorstellte. Wenn das auf das neue Potsdam zukäme, würde ich mich erschießen.

Übrigens, es gab schon diverse Vorschläge für den alten Markt, die auch in der Presse abgebildet wurden. Alle waren für mich völlig inakzeptabel, kalt und unpersönlich. Keiner von denen berücksichtigte die geschichtliche Dimension dieses Ortes. Mit meiner Meinung stehe ich übrigens nicht allein. Verzeihen Sie mir also bitte, dass ich sehr misstrauisch bin und wenig Vertrauen in moderne Architektur hege. Gerne lasse ich mich vom Gegenteil überzeugen, ich und alle Potsdamer, die sich Sorgen um den neuen Landtag machen, denn wir stehen nicht zum Spaß auf diesem Platz. Zu oft sind wir schon von solchen Beispielen der „Modernen Architektur“ enttäuscht worden, wie zum Beispiel der„Telekom Turm“ am Platz der alten Heiliggeistkirche, der niemals das Zeug hätte, ein Wahrzeichen Potsdams zu werden. Der könnte überall stehen und hat kaum einen Bezug zu unserer Stadt, da hilft auch nicht die nachempfundene Kubatur des Kirchenschiffes. Bewundernde Touristen habe ich da noch nie gesehen.

Manchmal denke ich, die Architekten leben in einem Elfenbeinturm und vergessen dabei, dass sie für Menschen bauen sollen. Fragen sie die doch mal, die Menschen! Fragen sie danach, wo sie sich am liebsten aufhalten! Das sind die alten Plätze, die Wärme und Behaglichkeit ausstrahlen. Plätze, die nicht vor Eisen, Glas und Beton strotzen, sondern Schönheit ausstrahlen. Eine große Ausnahme war mal ein Workshop junger Architekten aus mehreren Ländern, die als Aufgabe gestellt bekamen, den Ort Potsdam mit ihrer Handschrift zu zitieren. Die damalige Ausstellung im Marchwitza hat mich begeistert. Es geht also, habe ich mir gesagt. Nun zeigen Sie uns, dass es geht.

Im Übrigen können Sie sicher sein von Erschießungskommandos meinerseits, denn ich kann mit keiner Waffe umgehen, es sei denn, mit meinem losen Mundwerk. Mit versöhnlichen Grüßen aus dem Schießstand.

Barbara Kuster (Kabarettistin), Potsdam

Mit Getöse ist kein schöpferisches Klima zu erreichen

Frau Kuster hat mit Ihrem gestrigen Auftritt die künstlerischen Grenzen überschritten und einen Rufmord gegen den Teil der Architektenschaft betrieben, die Ihre Ansicht im Ringen um eine herausragende Architekturqualität beim Landtagsneubau nicht teilen. Auch die „Notdurft-Attitüde“ des Herrn Jauch war unangemessen. Es ist ihm in seiner früheren Heimat – noch jung an Jahren – wohl nicht aufgefallen, dass im Städtebau dort zuerst von funktionalistischen Prinzipien geprägte Zweckbauten entstanden sind, die wir heute vielfach kritisch, aber im Kontext mit dem Fortschrittsglauben der Zeit sehen müssen. Diesen Bau, der bis heute dem Bedürfnis nach Bildung dient, als „Bedürfnisanstalt“ abzuqualifizieren, ist unangemessen. Was den Landtagsneubau anbetrifft, so kann er doch gar nicht die Kopie des ehemaligen Schlosses sein. Die architektonische Qualität, im Rhythmus und mit den Proportionen des historischen Baues ist eine Herausforderung für unsere Zeit – nicht nur für Architekten. Statt unseren Berufsstand vorauseilend zu bedrohen, wäre eine dem Landtagsbeschluss entsprechende architektonische Qualität zu fordern und ein Spendenaufruf an Potsdams Bürgerschaft hilfreicher gewesen. Mit Getöse ist bei einem so sensiblen Thema kein schöpferisches Klima zu erreichen und Verständnis zu bewirken. Frau Kuster hat mit dieser Entgleisung den sich engagierenden Bürgern einen Bärendienst erwiesen.

Bernhard Wendel (Freier Architekt und Stadtplaner), Potsdam

Der zackige Humor des preußischen Offizierskasinos

„Architekten an die kahlen Wände und erschießen!“. Frau Kuster macht einen Witz in der Öffentlichkeit. Das ist lustig. Sie nenn das „Kabarett“, bevor ein Humorloser auf die Idee kommen könnte, es handele sich hier um Volksverhetzung. Nichts Unmenschliches ist dem Stammtischwitz ja fremd. Man habe doch darüber gelacht, gesteht CDU-Fraktionschef Steeven Bretz. „An die Wand mit den Kerls!“ Jawohl, er lebt noch in Potsdam, der zackige Humor des preußischen Offizierskasinos.

Die Gemeinde der Schlossbefürworter täte gut daran, zum Wohle dieser Stadt, eben nicht dort ihre „historische Mitte“ zu suchen.

Axel Gundrum, Potsdam

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })