Lesermeinung: Die DDR wird nicht besser, wenn man ihren Unterdrückungsapparat weglässt
An einem wahrheitsgetreuen Geschichtsbild arbeiten!Die Vergangenheit hat brandenburgische Politiker, Juristen und Polizeibeamte wegen ihrer Verstrickungen mit der DDR-Staatssicherheit eingeholt.
Stand:
An einem wahrheitsgetreuen Geschichtsbild arbeiten!
Die Vergangenheit hat brandenburgische Politiker, Juristen und Polizeibeamte wegen ihrer Verstrickungen mit der DDR-Staatssicherheit eingeholt. Das Thema wird in den Medien zwar kontrovers diskutiert, es dominiert aber die Meinung: Macht endlich Schluss damit! Die DDR war mehr als nur die Staatssicherheit! Ersteres steht für die Aufforderung, die Geschichtsforschung abzubrechen. Die zweite Aussage ist mehrdeutiger. Will man sagen, dass die DDR auch gute Seiten hatte? Dabei läuft man in die Gefahr, unvergleichliche Dinge zu vergleichen - wie es bei Geschichtsbetrachtungen häufiger vorkommt. Gern wird der Repressionsapparat der DDR, von dem die Stasi ja nur die Spitze war, gegen die Vollbeschäftigung in der DDR gesetzt. Das eine wird verurteilt, das andere gelobt. Ein weiterer Vergleich betrifft die ausgeprägte Sozialpolitik der DDR. Es ließe sich noch mehr aufzählen, am Ende kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass jeder Staat sein gutes und sein Schlechtes hat und das negative Gerede über die DDR einseitig oder gar verlogen sei.
Vergleiche sind falsch! Ihre Berechtigung scheitert an den Vergleichsobjekten, die jeweils eine andere Einordnung verlangen. So gab es in der DDR keine echte Vollbeschäftigung, sondern nur eine künstlich erzeugte.
Für die Debatte bedeutet das, dass die Einschätzung der DDR nicht besser wird, wenn man über ihren Unterdrückungsapparat hinwegsieht: Wirtschaftspolitisches Versagen, eine verlogene Informationspolitik, eine gleichgeschaltete öffentliche Meinung, Verschleierung wachsender Umweltschäden ergänzen das Gesamtbild. Der Staat hatte seine Berechtigung verwirkt.
Ministerpräsident Matthias Platzeck unterbreitete vor kurzem den Vorschlag, die DDR-Geschichte so zu schreiben, dass deren ehemalige Bürger sich darin wiederfinden. Das ist sehr oberflächlich gedacht, denn beweislos wird vorausgesetzt, dass diese Bürger die DDR so sehen, wie sie wirklich war.
Die seit Jahren zu beobachtende wachsende DDR-Nostalgie lässt aber vermuten, dass das für sehr viele, wahrscheinlich sogar für die Mehrheit nicht zutrifft. Deshalb ist es erforderlich, weiterhin an einem wahrheitsgetreuen Geschichtsbild zu arbeiten - einschließlich der Rolle der Staatssicherheit.
Prof. Dr. Helmut Assing, Potsdam
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