Lesermeinung: Eigentum verpflichtet
Zu: Sperrung des Westufers am Groß Glienicker See, PNN vom 1. 4.
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Zu: Sperrung des Westufers am Groß Glienicker See, PNN vom 1. 4. 2010
Wem ginge da nicht vor Wut das Messer in der Tasche auf, angesichts der erneuten privaten Aneignung eines Uferweges an einem Potsdamer See, der seit Jahrzehnten wieder dem öffentlichen Zugang dient? Wer will es den Bürgern und Spaziergängern verdenken, wenn sie angesichts dieses erneuten himmelschreienden Verstoßes gegen das „Eigentum verpflichtet“ des Artikel 14 unserer Verfassung zur direkten Aktion schritten, um die Barrikaden aus dem Weg zu räumen?
Nur geschlampt und offensichtlich nix gelernt hat hier die Stadtverwaltung mit dem Oberbürgermeister und den beiden zuständigen Beigeordneten. Es wird endlich Zeit, dass sie ihren Job richtig machen und nicht zur Entschädigung einzelne Kaufangebote unterbreiten, sondern dass sie vor Ort solange ackern, bis „weißer Rauch“ aufsteigt und sie mit Unterschriebenen Grundstückskaufverträgen in ihre Stadtbüros zurückkommen.
Jens Daniel, Potsdam
Obligatorischer Osterspaziergang fiel aus
Meine Joggingstrecke ist das Ufer am Groß Glienicker See. Ein See, der die ehemalige deutsch-deutsche Grenze ähnlich wie Wannsee symbolisiert. Damals war das Ufer an der Westseite gesperrt und wurde von DDR-Grenzposten zum patrouillieren genutzt. Seit Dienstag, dem 30. März 2010, stehen dort wieder Wachposten. Seitdem ist damit die gesamte Westseite des Sees abgesperrt – wie zu Mauerzeiten. Nur dass diesmal nicht der Staat absperrt, sondern die seit dem Mauerfall hinzugezogenen Anwohner des Seeufers. Aufgewachsen in West-Berlin, mit Mauer, Zoll und Transitstrecken, war ich/waren wir froh, als vor 20 Jahren endlich auch Westberlin eine Umgebung bekam. Wir brauchten Jahre, dass Umland zu entdecken. Westberliner durften zwar im Groß Glienicker See baden, für die Spandauer war dieser schon zu Mauerzeiten ein beliebter Badesee, aber immer unter der Bewachung der DDR Soldaten. Wie wohl tat es, nun meinen Kindern, die keine Mauer und Grenze kannten, zuzusehen, wie sie durch den gesamten See schwammen und den See mit ihren Rädern umrundeten.
Von heute auf morgen – so wie 1961 – ist dies nun nicht mehr möglich. Fassungslos, wie wohl viele Anwohner, nehme ich die Untätigkeit der Politiker zur Kenntnis, die hier offenbar wird: Öffentliche Ufer, die sogar im Bebauungsplan verzeichnet sind, auch nur im Entferntesten den Händen der Hauseigentümer am Ufer zu überlassen, stößt auf keinerlei Verständnis. Herr Jakobs, wann räumen Sie das Ufer?! Im Streit zwischen Eigentümern und der Stadt Potsdam, zu der die Gemeinde Groß Glienicke gehört, ziehen die Bewohner Groß Glienicke, Gatows und Kladows den Kürzeren und müssen auf ihr Erholungsgebiet am See verzichten. Anstatt die aufgebauten Barrikaden in den Anfängen bereits räumen zu lassen, wird auf Schriftverkehr zwischen den Anwälten der Parteien gehofft. In dieser Zeit bauen Eigentümer fleißig ihre Zäune, sprengen den Asphalt, pflanzen Bäume und schaffen so vollendete Tatsachen. Anstatt miteinander zu reden und Klarheit zu schaffen, wird geschrieben, getreu dem Satz: „Wer schreibt, der bleibt.“ Hier wird das Wohl Einzelner über das Gemeinwohl gestellt. Den Bau der Mauer konnte ich meinen Kindern noch mit dem kalten Krieg erklären, aber das? Der obligatorische Nachmittagsspaziergang zu Ostern mit Familie, Kind und Kinderwagen rund um den See fiel dieses Jahr für viele aus.
Karola Hanau, Berlin
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