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Lesermeinung: Erbauung, Sinn, Muße im Theater gesucht

„Ich möchte lebendiges Theater sehen“Sehr geehrter Intendant Wellemeyer,als Premierenabonnentin und treue Besucherin des Hans Otto Theaters bin ich gekommen, um die Premiere des Macbeth zu erleben. Ich bin 32 Jahre alt und war auf eine neue Sicht des schottischen Stücks gespannt.

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„Ich möchte lebendiges Theater sehen“

Sehr geehrter Intendant Wellemeyer,

als Premierenabonnentin und treue Besucherin des Hans Otto Theaters bin ich gekommen, um die Premiere des Macbeth zu erleben. Ich bin 32 Jahre alt und war auf eine neue Sicht des schottischen Stücks gespannt. Dies betone ich nur, weil einer Ihrer Darsteller recht uncharmant auf die „Silberfüchse“ im Publikum hingewiesen hat. Ein Stück wird nicht dadurch modern, dass man sich an die Jungen wendet und andere ausschließt. Die „Silberfüchse“ sind die treuen Besucher und Abonnenten, die Abende wie diesen finanzieren. Außerdem waren Publikumsbeschimpfungen Mitte der 60er Jahre zeitgemäß.

Der Theatersaal war nicht ausgefüllt, über 70 Besucher waren Mitglieder des HOT-Ensembles, deren Freunde und Angehörige. Der Abend begann damit, dass alle Schauspieler „Headmikrofone“ und so eher die Atmosphäre eines Musicals aufkommen ließen, das „Wirkliche“ eines Theaterbesuches ging verloren. Zudem wurde Shakespeare banalisiert, jegliche Sprachschönheit ging durch Fäkalsprache und Jargon verloren. Warum hat man sich der Größe Shakespeares nicht gestellt? Alle Klischees, vom nackten Schauspieler bis zum Rumwerfen von Lebensmitteln, wurden völlig ungekonnt bedient und die Eröffnung von zig Nebensträngen, die nichts zum Erleben des Macbeth“ von Shakespeare beitrugen, waren nur ärgerlich.

Die Relikte aus der DDR langweilten als billige Gags. Die inflationäre Nutzung der Kinoleinwand verärgerte zusätzlich: Ich möchte lebendiges Theater sehen, kein Kino. Ich möchte wirkliche Menschen erleben, keine Aufzeichnungen. Warum muss Theater durch Verweigerung des Stoffes provozieren? Theater kann trotzdem modern und zeitgemäß sein. Ihr Macbeth ist eine unintelligente, fast sinnfreie Darstellung. Ein Produkt von einem Regisseur, der nur um sich kreist und vergisst, für wen er inszeniert. Nämlich für die Zuschauer. Und damit meine ich nicht das Ensemble plus Familienanhang. Was möchte der Mensch im Theater? Er sucht Erbauung, Sinn, er sucht Muße, er möchte träumen und inspiriert werden. All das ist Ihnen leider nicht gelungen.

Katrin Becker, Potsdam

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