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Lesermeinung: Gedenktafeln für alle „stillen Helden“ aus Potsdam!

Sieben Tafeln für Andere Deutsche, 5.6.

Stand:

Sieben Tafeln für Andere Deutsche, 5.6.

Sieben Potsdamer Bürger, die während des Dritten Reichs Juden geholfen haben, sollen mit Gedenktafeln im Stadtbild geehrt werden. Die Initiative stützt sich auf die Anerkennung der Retter als „Gerechte unter den Völkern“ durch das Gedenkzentrum Yad Vashem in Israel. In meinem Buch „Rote Fahnen über Potsdam. Lebenswege und Tagebücher“ habe ich die mutige Hilfe von mehreren Einwohnern für verfolgte jüdische Bürger beschrieben, die in Bergholz-Rehbrücke lebten. Meine Erkenntnisse teilte ich Yad Vashem mit und ich beschränkte mich zunächst auf die Anerkennung eines Geschehens. Ein mutiger Bürger der Stadt bot vielen jüdischen Flüchtlingen – unter höchst gefährlichen Umständen für ihn selbst – eine vorübergehende Unterkunft an und er besorgte gefälschte Dokumente. Eine Jüdin, die er später heiratete, versteckte er dauerhaft in seinem Haus. Dieser Frau, die heute 91 Jahre alt ist, habe ich die Berichtsanforderungen aus Jerusalem mitgeteilt. Der Fragebogen besteht aus 16 Datenrubriken, über Zeugen, Retter und den Ablauf von Rettungen. Außerdem wurde eine Bestätigung ihres Berichts durch einen Notar verlangt. Ihre schriftliche Aussage als Gerettete und zahlreiche Dokumente waren für die Kommission nicht ausreichend. Sie ist der Ansicht, dass sie die restriktiven Anforderungen von Yad Vashem nicht mehr erfüllen kann. Deshalb verzichtet sie auf die Anerkennung ihres verstorbenen Mannes als „Gerechter unter den Völkern“. Tatsächlich können die geforderten Daten, wegen der fortgeschrittenen Zeit kaum noch beigebracht werden. Diese Fragen waren vor Jahren brauchbar, sind aber jetzt realitätsfern. In meinem ausführlichen Schriftwechsel mit dem Gedenkzentrum beharrte die israelische Seite auf einem Verfahren, das seit 45 Jahren mit Erfolg angewandt worden sei. Ein Eingehen auf die besonderen Umstände wurde ausgeschlossen.

Die Auswahlliste der Retter von Yad Vashem kann wegen formalistischer Handhabung nur eine geringe Anzahl der tapferen Helfer namhaft machen. Das Gedenkzentrum hilft nur in einem engen Rahmen bei der Bewertung des deutschen Widerstands, es hat keinen Anspruch auf die alleinige Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts. Würden die von Yad Vashem abgelehnten Anträge der Forschung zugänglich gemacht, wären sie für die Vervollständigung des Wissens über den Widerstand in Deutschland eine einzigartige Quelle. Zu den Einsichten, die ich durch meine Untersuchung über Potsdam gewonnen habe, gehört, dass es in allen Stadtteilen mutige Menschen gegeben haben muss, die verfolgten Juden halfen. Soweit sie bekannt sind, müssten auch diese eine Tafel erhalten, obschon sie als Gerechte unter den Völkern nicht anerkannt wurden.

Die Gedenktafelaktion sollte alle stillen Helden aus Potsdam ehren.

Dr. Roland Thimme, Potsdam

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