zum Hauptinhalt

Lesermeinung: Gewerbetreibende gegen Tourismusabgabe

Zu: „Angst vor einem Bürokratie-Monster“, 7.2.

Stand:

Zu: „Angst vor einem Bürokratie-Monster“, 7.2.

Die Darstellung der Diskussion zur Tourismusabgabe fasst leider entschieden zu kurz. Das gezeichnete Bild lässt vermuten, dass Konfrontation gewollt und Mitverantwortung abgelehnt wird. Vielmehr wurde jedoch einvernehmlich von allen Akteuren bekräftigt, dass die Pflege und Erhaltung von Sanssouci notwendig und wünschenswert ist. Nur sollte der zur Kasse Gebetene auch der Nutzer beziehungsweise Verursacher sein. In aller Welt wird für Leistungen wie Kino, Theater oder Museen ein Obulus erhoben, welcher für die erbrachte Leistung einen Gegenwert darstellt. Warum nicht auch in Potsdam? Intelligente Lösungen für Touristen und Potsdamer sollten so schwer nicht zu finden sein: Bei 1,2 Millionen Besuchern jährlich wäre 1 Euro Eintritt für Touristen und eine Jahreskarte für Potsdamer zum Vorzugspreis (soziale Härtefälle kostenfrei) gerecht. Schon wäre die Kuh vom Eis – und alles ohne Verwaltungskosten! Und lieber Herr Oberbürgermeister: Auch Gastronomen und Einzelhändler sind Potsdamer (und keine Touristen)!

Jens Freiberg von „famos liegen & sitzen“ in Potsdam

Tourismusabgabe ist ungerecht, wettbewerbsverzerrend und unsozial

Der Park Sanssouci ist ein einmaliges Gartendenkmal von höchstem Rang. Das bringt eine große Verantwortung mit sich, der sich alle in Potsdam stellen müssen. So wie selbstverständlich im städtischen Museum Eintritt oder im subventionierten Theater ein Jahresabo gezahlt wird, sollte nun endlich auch Eintritt für den Park genommen werden. Den Millionen von Touristen jährlich freien Eintritt zu gewähren (die Bustouristen lassen ohnehin kaum Geld in der Stadt), ist aus wirtschaftlicher Sicht ein Luxus, den sich keiner mehr leisten kann. Die Zeche zahlen am Ende die Potsdamer – wenn auch an anderer Stelle.

Die sogenannte „Tourismusabgabe“, die an den Parkeintritt gebunden wird, ist in meinen Augen nichts weiter als eine zusätzliche Steuer. Das verletzt den Grundsatz der Gleichheit, sie ist ungerecht, wettbewerbsverzerrend und unsozial. Es leben viele Händler und Gastronomen sowohl vom Tourismus als auch von den Potsdamern. Da eine Grenze zu ziehen, ist unmöglich. Die Touristen kaufen bei Weitem nicht nur die klassischen Souvenirs, sondern auch alles andere. Ebenso gehen die Potsdamer in der Innenstadt einkaufen oder essen. Von dem Geld, das die Gewerbetreibenden einnehmen, gehen auch sie in Potsdam einkaufen, zahlen – wie alle anderen – die überdurchschnittlich hohen Privatmieten (wenn sie hier wohnen). Sie schaffen Arbeitsplätze, indem sie Angestellte bezahlen. Sie zahlen Gewerbesteuer – und zwar zu einem der höchsten Gewerbesteuersätze im bundesdeutschen Vergleich. Sie zahlen Umsatz- und Einkommenssteuer. Sie investieren privates Vermögen, nehmen teure Kredite auf. Sie tun etwas für die Stadt, für das Stadtbild.

Viele Gewerbetreibende leben in Potsdam am oder unter dem Existenzminimum – und sie fallen diesbezüglich aus jeder Statistik heraus. In Zeiten, in denen wir über Altersarmut debattieren (und das betrifft auch viele 40-Jährige, die sich selbstständig gemacht haben), ist dieses Vorgehen der Abgeordneten – ausgerechnet von Rot-Rot – unverantwortlich. Wer regelmäßig sein Gehalt bezieht, der weiß nicht, was es bedeutet, tagtäglich einen Existenzkampf zu kämpfen, der einer seelischen Achterbahnfahrt gleicht! Das ist die bittere Realität.

Als es vor einiger Zeit um die Sonntagsöffnungszeiten ging, hatte kaum ein Händler etwas mit dem Tourismus zu tun. Nun betrifft es plötzlich eine Vielzahl von Gewerbetreibenden?

Gefragt wurde von denen, die zukünftig zahlen sollen, niemand. Das hat nichts mehr mit Demokratie zu tun.

Anke Stemmann, Inhaberin von „Fritz & Theodor“ in Potsdam

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })