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Lesermeinung: Havelausbau – trotz Umweltschädigung und Klimawandel?

„Havel-Ausbau: Planer bestreiten Klimawandel“, 28. Juli 2006Der Vorwurf, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bei den Ausbauplanungen die Auswirkungen und Folgen von Klimaänderungen bewusst ignoriert, ist falsch.

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„Havel-Ausbau: Planer bestreiten Klimawandel“, 28. Juli 2006

Der Vorwurf, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bei den Ausbauplanungen die Auswirkungen und Folgen von Klimaänderungen bewusst ignoriert, ist falsch. Zusammen mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde werden die aktuellen hydroklimatischen Entwicklungen im Bereich von Spree, Havel und Elbe sehr genau verfolgt und fließe in die Planungen von Ausbauvorhaben ein.

In Bezug auf mögliche Folgen des Klimawandels für den zukünftigen Wasserhaushalt dieser Region ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es heute noch keine belastbaren und somit berechenbaren Aussagen zu den realen Auswirkungen von Veränderungen des Temperaturhaushaltes auf die zukünftig zur Verfügung stehenden Wassermengen gibt. Die bisher vorhandenen Aussagen – auch vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) – beruhen auf der Grundlage von Szenarienberechnungen, das heißt: Es handelt sich dabei weder um Vorhersagen, noch um Prognosen, sondern um Annahmen.

Wenn also die durchschnittliche Temperatur in Ostdeutschland um einen bestimmten Anteil ansteigt, hat dies auch Auswirkungen auf die jährliche Niederschlagsverteilung und letztendlich auch auf die zum Abfluss gelangende Wassermenge.

Wie groß die zukünftig zur Verfügung stehende Wassermenge konkret ist, hat derzeit noch niemand gesagt. Festzuhalten bleibt aber, dass auch in der Vergangenheit die Region zwischen Elbe und Oder hydroklimatisch stark benachteiligt war. Nicht umsonst sind die Flüsse Havel und Spree schon seit Jahrhunderten komplett stauregulierte und somit auch wasserstandsregulierte Flüsse.

Dadurch werden mögliche negative Veränderungen im Wasserhaushalt erheblich abgemildert, wovon, neben der Landwirtschaft, dem Naturschutz und dem Tourismus, nicht zuletzt auch die Schifffahrt profitiert.

Solange also an der Havel noch ein Wasserabfluss vorhanden ist, der die in Folge von Verdunstung, Versickerung und Wasserentnahme entstehenden Wasserverluste ausgleicht, kann der für die Schifffahrt notwendige Wasserstand grundsätzlich gewährleistet werden.

Thomas Gabriel, Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost, Magdeburg

„Irritationen über Ministerfahrt auf der Havel“, 20. Juli 2006 und „Havel-Ausbau: Planer bestreiten Klimawandel“, 28. Juli 2006

Anlässlich einer Schiffstour verkündeten die Minister Tiefensee und Gabriel, dass im Jahre 2008 mit dem Ausbau des Havel-Paretz-Kanals begonnen werde. Es sei vorgesehen, den Kanal zu vertiefen und zu verbreitern, um die Kapazität für die „Euro-Schiffe“ fahrbar zu machen.

Wir erleben im dritten Jahr einen von Meteorologen lange vorhergesagten heißen Sommer. Langfristig wird das zu Naturveränderungen in Brandenburg führen: Wasserknappheit und Versteppung der Landschaft sind unausbleiblich. Die Erkenntnisse trugen Wissenschaftlern wiederholt vor, sie werden durch die aktuelle Situation bestätigt. Die Spree fließt nicht mehr, durch die Oder kann man laufen, in der Havel sterben Fische.

Kann man da, auch angesichts der Geldknappheit, noch nachvollziehen, was die beiden Minister veranlasst haben könnte, den Ausbau des Kanals für 2,8 Milliarden Euro voranzutreiben? Es kann nicht der angeblich „überlastete“ Binnenschiffsverkehr sein; der stagniert seit der Wende erheblich – entsprechende Statistiken liegen vor.

Außerdem wird dem Kanalausbau keine Ausbaukapazität in Berlin nachfolgen. Das Land Berlin hat die Ausbaupläne endgültig auf Eis gelegt, weil zahlreiche Brückenerhöhungen und die Verbreiterung des Teltowkanals die finanziellen Möglichkeiten des Landes Berlin weit überschreiten.

Es kann auch nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Die Euroschiffe sind größtenteils holländischen Ursprungs. Auch werden keine Arbeitsplätzen durch den Kanalbau entstehen. Für die Arbeiten sind große Maschinen im Einsatz.Der Lohnanteil der veranschlagten Bauten dürfte bei etwa 25 Prozent liegen. Die Maßnahme dient vor allem nicht dem Schutz der Umwelt: Grundwasserabsenkung und Veränderung des Flusslaufs der Havel können die Folge sein. Das Weltkulturerbe in den Potsdamer Parks ist gefährdet.

Die Menschen in Deutschland, insbesondere in Brandenburg und Berlin, haben in Unterschriftenaktionen und Stellungnahmen immer wieder gefordert, das Projekt 17 der Deutschen Einheit auf seine Nachhaltigkeit hin zu prüfen. Das ist bis jetzt nicht geschehen. Es bleibt letztlich nur eine Schlussfolgerung für den Kanalausbau zu ziehen und die lautet: Er ist das Werk von Profit orientierten Lobbyisten und törichten Politikern.

Hans-Joachim Rose, Rechtsanwalt und Notar, Berlin

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