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Lesermeinung: Hörsturz

Emma auf dem Festival der StadtwerkeFür den Klassikabend war die Sopranistin Emma aus Frankreich angekündigt. Schon der Name klingt beruhigend, irgendwie altersgerecht.

Stand:

Emma auf dem Festival der Stadtwerke

Für den Klassikabend war die Sopranistin Emma aus Frankreich angekündigt. Schon der Name klingt beruhigend, irgendwie altersgerecht. Sie ist Sekretärin von Beruf, auch das macht sie sympathisch.

Doch als Emma mit ihrem ersten Lied beginnt, setzt ein ohrenbetäubender Lärm ein, verursacht von den begleitenden Musikern. Die Bässe dröhnen aus den riesigen Lautsprechern, die Erde bebt. Erschrocken halte ich mir die Ohren zu, meine Nachbarin ist vorbereitet, sie stopft sich Watte in die Ohren. Auf der Bühne wälzt sich ein halbnackter Mann. Er scheint auch unter dem Lärm zu leiden.

Nach dem dritten Stück von Emma bleibt er leblos liegen - vermutlich Gehörsturz. Ich halte es nicht mehr aus, obwohl ich in der hintersten Reihe sitze. Ich flüchte in die Breite Straße, aber auch hier ist es noch unerträglich. Erst hinter dem Hotel Mercure kann ich aufatmen. Als es ruhiger wird, wage ich mich aus der Deckung.

Trotz spärlichen Beifalls gibt es eine Zugabe, Emma solo, ohne Begleitung. Sie kann also singen, das war zuvor nicht zu merken. In der Pause entdecke ich vor der Bühne ein Schild: „Laute Musik - Stadtwerke Festival“. Aha, das Inferno war also geplant. Im Verlaufe des Festes wird auf großen Bildschirmen gewarnt, dass ein Schallpegel von 85 Dezibel erreicht wird. Ich überlege, ob Emma vom Flughafenbetreiber BBI angeheuert wurde, oder ob die Hörgeräte-Lobby dahintersteckt.

Ich würde gerne eine Anti-Lärm-Partei gründen – die Zeit ist reif dafür.

Wolf Beyer, Potsdam

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