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Lesermeinung: In Zukunft mehr Förderschulen!

„Nicht jeder darf Schule machen“, Gastbeitrag von Holger Rupprecht, Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, 4.7.

Stand:

„Nicht jeder darf Schule machen“, Gastbeitrag von Holger Rupprecht, Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, 4.7. 2007

Ich freue mich über so manche Aussagen von Herrn Rupprecht. So schreibt er: „Der Wettbewerb zwischen den Schulen wird zum Motor für Qualitätsentwicklung“. Genau das habe ich auch gedacht und in Falkensee eine Initiative ins Leben gerufen, um eine freie Grundschule mit reform- und naturpädagogischem Schwerpunkt zu errichten. Falkensee ist die kinderreichste Stadt Deutschlands, mit einer bunten Palette an Kitas. Dort tummeln sich freie und staatliche Träger in friedlicher Eintracht. Nun frage ich mich, in welche Schule soll mein Kind gehen? Für Grund- und weiterführende Schulen gibt es in Falkensee nicht einen alternativen Träger. Wir schlossen uns zusammen, um uns aktiv an der Schulentwicklung zu beteiligen – mit einem besonderen pädagogischen Angebot. Mit einem wissenschaftlichen Beirat haben wir ein naturpädagogisches Konzept erarbeitet, dass hier einmalig wäre. Methodisch stützen wir uns auf Erfahrungen freier Alternativschulen, die in Brandenburg sehr erfolgreich arbeiten. Viele Eltern bekundeten ihr Interesse und auch Lokalpolitiker sind von der Idee angetan und sehen unsere „Idee von Schule“ als eine Bereicherung für Falkensee. Das Ministerium aber hat die Genehmigung abgelehnt. Begründung: Es besteht kein besonderes pädagogisches Interesse, es gebe genug alternative Angebote. Keines der von Rupprecht beschriebenen Probleme gibt es in Falkensee: Es gibt hier zu wenig Schulen. Es müssen keine Schulen geschlossen werden, im Gegenteil: Wir brauchen zusätzliche Schulen! Für Kinder, die alternative Angebote wünschen, haben sich die Schulwege verlängert. Unser natur- und reformpädagogisches Konzept wird im Ablehnungsbescheid gleichgesetzt mit einer vorhandenen staatlichen Grundschule in Falkensee, in der die Kinder – abgesehen von wenigen Klassenausflügen – die Natur maximal durch die Fensterscheibe betrachten können. Wir haben gegen den Ablehnungsbescheid Klage eingereicht.

Dr. Antje Töpfer, Vorsitzende des Vereins Freie Kinderschule Falkensee e.V.

Förderschule, nein danke?

Der Weg zur gemeinsamen Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen ist ein richtiger! Andere Länder machen es uns vor, wie Kinder, die besondere Hilfe benötigen, ohne Aussonderung in dem Regelschulsystem gefördert werden können. Das setzt voraus, Schule neu zu denken! Es bedeutet, sonderpädagogisches Knowhow in der Regelschule zu garantieren; räumliche und sachliche Ausstattung vorzuhalten, um so viel wie möglich gemeinsam zu lernen, und auch so viel wie nötig individuelle Förderung zu realisieren. Brandenburg ist auf dem Weg, Schule neu zu denken. Das ist gut, kostet aber Geld, weil die Voraussetzungen erst geschaffen werden müssen. Unter Berücksichtigung der knappen Kassen und fehlender Sonderpädagogen können erst 30 Prozent der Grundschulen die flexible Schuleingangsphase (Flex) anbieten und erst 44 Prozent der Grundschulen verfügen stundenweise über Sonderpädagogen. Wer eine Debatte zur Schließung der Förderschulen führt, muss Antwort darauf geben, wo und wie die Förderung erfolgen kann. Qualität sonderpädagogischer Förderung muss Priorität haben. So lange die Bedingungen im gemeinsamen Unterricht für sonderpädagogische Förderung nicht hinreichend sind, bedarf es der Alternative „Förderschule“. Wenn die Voraussetzungen in der Regelschule dem sonderpädagogischen Standard einer Förderschule entsprechen, müssen sich Eltern den Lernort nicht mehr öffentlich einklagen – so wie in Potsdam. So lange die Grundschule die an sie gestellten Herausforderungen nicht aus sich selbst heraus bewältigen kann – wird doch immer häufiger die Zunahme von Lern-, Verhaltens- und Sprachschwierigkeiten beklagt – sind flexible und durchlässige Strukturen erforderlich, die eine Förderung in einer kleinen separaten Gruppe ebenso vorsehen, wie kooperative und inklusive Angebote. Das Problem liegt im gesamten Schulsystem begründet und sollte im Sinne eines Perspektivenwechsels von allen Beteiligten gelöst werden!

Dr. Karin Salzberg-Ludwig, Vorsitzende des Verbandes Sonderpädagogik des Landes Brandenburg

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