Lesermeinung: Kann die Garnisonkirche zum Friedenssymbol werden?
Zu: „Schorlemmer kritisiert Garnisonskirche“, 14.6.
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Zu: „Schorlemmer kritisiert Garnisonskirche“, 14.6.
Die Argumentation von Friedrich Schorlemmer kann nicht ganz überzeugen, auch wenn der Wiederaufbau der Garnisonskirche, um Missverständnissen vorzubeugen, nicht nur gegenüber dem Ausland eine äußerst aktive Kommunikation erfordert. Denn selbstverständlich kann ein derartiges historisch belastetes Gebäude zu einem Friedenssymbol werden. Zumal sich gerade hier anbietet, in Form eines Dokumentationszentrums die NS-Zeit in all ihren auch widersprüchlichen Facetten, zu denen ebenfalls das Verhältnis zu Preußen zählt, so offen wie nur irgendmöglich aufzuarbeiten. Und dabei insbesondere junge Menschen miteinzubeziehen. Weswegen man sich der Herausforderung stellen sollte, die sich nicht nur architektonisch für Potsdam ergibt!
Rasmus Ph. Helt, Hamburg
Zur Position von Friedrich Schorlemmer: „Helm ab zum Gebet? Diese Kirche war kein Friedenssymbol und kann keins werden“, 14.6.
Es ist schon erschreckend, mit welcher Einseitigkeit der Autor sich historischen Gebäuden nähert. Die Garnisonkirche hat den Tag von Potsdam erlebt, hier ist für den Sieg im Krieg gebetet worden (und möglichst wenige Opfer unter der eigenen Bevölkerung). Ja und? Krieg war leider bis zum Ende des 2. Weltkriegs in Europa ein normales Mittel, seine Ziele durchzusetzen. Historische Gebäude sind aus ihrer Zeit zu verstehen, aber warum sollen sie nicht einem Wandel in ihrer Funktion und ihrem Aufgabenstellung unterzogen werden können? Wir könnten doch gerade damit ein überzeugendes Signal setzen,wenn wir ein Gebäude, das durch die Geschichte belastet ist, einer anderen Aufgabe zuordnen. Das ist glaubwürdiger, als in völliger Kopflosigkeit alle diese Gebäude verschwinden zu lassen.
D. Uhlenbrock, Potsdam
Zur Position: „ Das Versöhnungsprojekt wurde nicht fallen gelassen“, von Burckhart Franck, 11.6.
Der sehr wendige und alerte Herr Franck von der Fördergemeinschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam e.V., ehedem Mitglied im Vorstand der nach seiner Behauptung „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“, die immerhin in den letzten Jahren zahlreiche Denkmalprojekte in Potsdam und der Mark finanziell stark gefördert hat, repliziert den Vorwurf des politischen Theologen Schorlemmer, an der Garnisonkirche klebe die braune Asche Hitlers mit dem Hinweis, dann müsse man auch den Münchner Bürgerbräukeller sprengen. Nun, das hat die Stadt München bereits im Jahre 1979 besorgt, als das traditionsreiche Münchner Lokal den Neubauten des Kulturzentrums am Gasteig rechts der Isar weichen musste wie auch die in der gegenüberliegenden Hochstraße angesiedelten historischen Bierkeller der Münchner Brauereien. Francks Bemerkungen über die Ziele heutiger Denkmalpflege im Unterschied zu deren „alter Vorstellung“, Ziel müsse die Konservierung, nicht Restaurierung oder Rekonstruktion sein, das „noch nie richtig“ gewesen sei, verrät viel über die saloppe Art seines und seines Vereines Umgangs mit historischen Denkmälern und Überresten. Die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte mittels solcher Talmi-Bauten bleibt in jedem Falle problematisch. Und ob wir letztlich aus der Geschichte lernen wollen, sollen oder können, muss doch mit einem großen Fragezeichen versehen werden.
Karlheinz Deisenroth, Freiburg
Die Garnisonkirche und die Türkei
Es wird über die Ereignisse in der Türkei berichtet, wo ein Ministerpräsident gegen den Willen eines großen Teiles der Bevölkerung eine geistig rückwärtsgerichtete Politik betreibt. Eine osmanische Kaserne, 1780 erbaut und später zerstört, soll wiederaufgebaut werden. Das Atatürk-Kultur-Zentrum soll einem Opernhaus Platz machen. Will Erdogan die Geschichte der neueren Türkei und ihre Hinwendung zum Westen tilgen? Das kann uns nicht gefallen. In Potsdam ist offensichtlich auch eine Mehrheit der Bevölkerung gegen eine derartige rückwärtsgerichtete Baupolitik. Auch hier wird gegen die offensichtlich vorhandene Mehrheitsmeinung agiert.
Jochen Töpfer, Potsdam
Das Bauwerk ist unschuldig
Soll die Garnisonskirche als spätzivilisatorischer Ziegenbock, beladen mit der Schuld menschlichen Unvermögens, für immer in die Wüste geschickt werden? Nicht wenige wünschen das. Oder sind wir besser so gnädig mit der Garnisonskirche wie Gorbatschow, der die Glocke als Symbol des Aufbruchs aus der Verbannung zurück nach Uglitsch bringen ließ? Anerkennen wir doch endlich die persönliche Unschuld dieses Bauwerkes, erklären es als gegen seinen Willen missbraucht, und holen es zurück als Zeugnis früherer Baukunst, wenn es hilft auch als Symbol des vorurteilsfreien Umgangs mit unserer Geschichte, und erfreuen uns zukünftig wieder an ihrer architektonischen Schönheit.
B. Rülicke, Potsdam
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