Lesermeinung: Kuschelige DDR?
Zum Leserbrief „Die Zeit der Missionierung ist wieder einmal angebrochen“, 13.11.
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Zum Leserbrief „Die Zeit der Missionierung ist wieder einmal angebrochen“, 13.11.
Das Bild, das der Leser von der DDR zeichnet, ist zu kuschelig schön, um der ganzen Wahrheit zu entsprechen. Als DDR-Bürger, der seit 1953 im von ihm verunglimpften Potsdamer Norden lebt, frage ich: Wenn alles so harmonisch war, warum musste dann eine Mauer um diesen Staat errichtet werden? War es nicht so, dass die DDR, trotz bezahlbarer Mieten und stabiler Preise für Grundnahrungsmittel, geistig-moralisch und ökonomisch am Ende war? Und die NVA hatte nur deshalb keine Opfer im Ausland zu beklagen, weil Ulbricht und Honecker von den Oberen Sowjets zurückgepfiffen wurden, als es um Tschechoslowakei und Polen ging. DDR-Armee und ihre Grenztruppen führten, um mit seinen Worten zu reden, „keine Kriege im Auslandseinsatz für deutsche Wirtschaft- und Großmachtinteressen“, dafür aber einen gegen die eigene Bevölkerung. Im übrigen: Wenn die Wohngebiete Schlaatz und Drewitz vom Leserbriefschreiber als heutige soziale Brennpunkte deklariert werden, verschweigt er, dass diese Gebiete als Nonplusultra des sozialistischen Wohnungsbaus erst in den 80er Jahren errichtet wurden. Ich weiß nicht, warum er gegen die Gutbetuchten aus den alten Bundesländern wettert. Schließlich haben sie maßgeblich den Potsdamer Norden – und nicht nur den – vor dem endgültigen Verfall gerettet. Nicht auszudenken, wie dieses Gebiet und viele andere aussehen würden, wenn wir in diesem Jahr den 60. Jahrestag der DDR feiern würden.
Wolfram Maede, Potsdam
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