Lesermeinung: Landtagsübergabe vor geschlossener Gesellschaft
Zur Übergabe des Landtags am 10.10.
Stand:
Zur Übergabe des Landtags am 10.10. und: „Kleinkulturland Brandenburg“, 11.10.
Es endet, wie es begonnen hat: Die ewiggleichen Herren feiern sich selbst. „Die, die immer dagegen waren, sind drin, und die, die immer dafür waren, müssen draußen bleiben", so brachte es eine aufgebrachte Potsdamerin bei der bereits völlig missratenen nichtöffentlichen Grundsteinlegung zum Landtagsneubau auf den Punkt. Als am 10. Oktober dem Landtagspräsidenten Gunter Fritsch in exklusiver Runde „sein“ Landtag übergeben wurde, war es keine „Schlüsselübergabe“, sondern die Übergabe eines „Transponders“, in der Form einer fliegenden Untertasse. Das sollte wohl zu der hypermodern klinikweißen Reinraumästhetik des Inneren passen. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass nun ausgerechnet Finanzminister Markov („Niemand hat die Absicht, ein Schloss zu errichten!“) die zweite Hauptrolle in dieser, so Teile der Presse, völlig würdelosen Veranstaltung gespielt hat. Es mag ja sein, dass die „Transponderübergabe“ als ein rein „technischer Termin“ geplant war. Aber es ist schlicht jammervoll, die Vollendung des ersten eigenen Parlamentsgebäudes in Brandenburg rein „technisch“ zu betrachten. In nervender politischer Korrektheit haben offizielle Vertreter von Stadt und Land von Anfang an heldenhaft royalistische Windmühlen bekämpft, die es gar nicht gibt. Sie haben mantraartig verkünden lassen, dass dies nicht das Stadtschloss ist. Der dumme Bürger kann es dann im französischen Schriftzug (Ceci n'est pas un Chateau) lesen – übrigens ein sehr subtil-humoriges Kunstwerk. Nein, das ist nicht das Stadtschloss. Das ist, na so was, der Landtag. Es ist nicht mehr das Königsschloss, sehr gut!
Das hatte beste demokratische Traditionen: Von 1919 bis 1933 tagte im Kopfbau zum Alten Markt das erste moderne Potsdamer Stadtparlament. Entstanden ist nun ein Gebäude, dessen Volumen um ein Drittel aufgeblasen wurde für eine Länderfusion mit Berlin, die der Ministerpräsident soeben abgeblasen hat. In den „Berliner“ Leerraum zieht der Landesrechnungshof ein. Vielleicht wäre es „demokratischer“, auf jeden Fall aber realitätsnäher, im Landtagsneubau das Arbeitsamt unterzubringen? Das wäre eine wirklich moderne Publikumsmischung.
Weitere „läppische Details“ sind von der geschlossenen Gesellschaft vergessen worden. Das Erste sind die Abgeordneten selbst, die wohl zu der technischen „Transoponderübergabe“ gar nicht erst eingeladen wurden. Vergessen wurden auch die Mäzene, Hasso Plattner und Günther Jauch. Und fast schon selbstverständlich die Spender aus dem ganzen Bundesgebiet, die seit Jahren die Wiederherstellung des Figurenschmucks fördern. Sie sind als „Kleckerkram“ abgetan worden.
Abgesehen davon, dass dieses Gebäude sowie sämtliche Diäten, Pensionen, Gehälter der amtlich Beteiligten vom Steuerzahler finanziert werden, heißt das letzte vergessene Detail, das zu erwähnen niemand für nötig hielt: der engagierte Bürger. Keine Rede mehr davon, dass seit 1990, spätestens seit 2005, immer wieder Einzelpersonen, Vereine, Gruppen und Initiativen ohne irgendwelche Geld- oder Karriereabsichten sich für dieses Potsdamer Stadtschloss und damit für die verlorene Potsdamer Mitte eingesetzt haben.
Von wegen Auszug aus dem Kreml, der Stil scheint ja derselbe zu bleiben. Um es deutlich zu sagen: Ohne diese streitbaren Mitbürger, die am Anfang als Irre oder sogar Schlimmeres beschimpft wurden, stünde heute auf dem Alten Markt alles andere, nur nicht dieses Gebäude, das jetzt fast unisono Lob und Anerkennung findet.
Es reicht! Mittlerweile hat sich eine ganze Reihe von Innenstadtinitiativen zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen. Es muss Schluss sein mit dieser Gutsherrenart von Stadt und Land, die Bürger an den Prozessen für die Potsdamer Mitte auszuschließen und ihr Engagement nicht zu würdigen.
Dr. Hans-Joachim Kuke, Verein Potsdamer Stadtschloss e.V.
Zu: „Landtagsschloss: Der Ort der Einsicht“, 10.10.
Der Kommentar bringt es am Ende sehr treffend auf den Punkt. Denn mit dem neuen Landtagsgebäude ergibt sich für die Parlamentarier auch eine erhöhte demokratische Verantwortung. Und zwar jene, sich bodenständig zu zeigen und mehr auf die Bevölkerung zu hören, als man es in der Vergangenheit etwa bei der höchst umstrittenen Hochschulfusion in der Lausitz getan hat. Da ein zumindest von der äußeren Form her neuer Prunkbau plus bürgerferner Entscheidungen die negativen Vorurteile gegenüber der Politik als solche massiv verstärken kann. Weswegen mehr denn je die Devise Friedrich des Großen, erster Diener des Staates zu sein, nicht nur das Selbstverständnis der Abgeordneten, sondern auch der Landesregierung bestimmen muss!
Rasmus Ph. Helt, Hamburg
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