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Lesermeinung: Neugestaltung der Potsdamer Mitte: Postmoderne Glasfassade würde Barock-Ensemble zerreißen

Moderne am Alten Markt, 17.4.

Stand:

Moderne am Alten Markt, 17.4. 2009

Die Überschrift ist ebenso irreführend wie die Behauptung, die neue Fassade stünde „im Dialog mit den historischen Gebäudeteilen“. Die kürzlich in den PNN vorgestellte neue Glasfassade zeigt eine postmoderne Gestalt der 1960er Jahre. Sie verbindet nicht die beiden Barockfassaden, sondern reißt sie auseinander. Ein Blick in die Geschichte dieses Gebäude-Ensembles lohnt. Aus Anlass der Umgestaltung des Alten Marktes in eine italienisierende Platzanlage ließ Friedrich der Große das unter seinem Vater erbaute Rathaus abreißen und befahl Johann Boumann, ein neues zu errichten. Als Vorbild diente ein Entwurf für die Villa Angarone in Verona. Zehn korinthische Kolossalsäulen gliedern die Fassade. In Potsdam hätten sie nur Platz gehabt, wenn das Wohngebäude neben dem alten Rathaus abgerissen worden wäre. Doch Bäckermeister Martin Windelbandt weigerte sich standhaft, sein Haus zu verkaufen. Boumann war also gezwungen, das neue Rathaus zwei Achsen schmaler herzustellen und fügte einen Turm mit Stufenkuppel hinzu. Auf der durchfensterten Attika fanden allegorische Sandsteinstatuen weltlicher Tugenden Aufstellung,. Das neue Rathaus mit der bekrönenden Atlasfigur wurde 1755 fertiggestellt. Während man das Stadtschloss und weitere Bauten um den Alten Markt nach 1945 abriss, wurden das Rathaus und das von Knobelsdorff entworfene Eckhaus des Sattlermeisters Lehmann an der Brauerstraße als Kulturhaus Hans Marchwitza wieder aufgebaut und dabei das stark zerstörte Windelbandtsche Haus durch einen modernen Verbindungsbau ersetzt. Wenn es wegen der vorgesehenen Nutzung nicht möglich sein sollte, die schon aus Gründen der geschilderten Historie wünschenswerte Fassade des Windelbandtschen Hauses zu rekonstruieren, so sollte doch ein Verbindungsbau entworfen werden, der diesen Namen verdient, indem er die Größenverhältnisse von Wand- und Öffnungsflächen der Barockbauten berücksichtigt!

Andreas Kitschke, Potsdam

Ein Konzept für die gesamte Stadtmitte!

Was ist daran modern? Das ist eine tausendmal durchgekaute ästhetisch belanglose architektonische Frechheit. An einem Platz, der einer der schönsten Europas werden könnte, will man einen Flachdach-Glaskasten setzen, der nicht besser aussieht als ein Cinemax-Kino. Das hat nichts mit Potsdam zu tun und es bildet keine Platzkante , sondern reißt stattdessen ein Loch in den Platz. Ich will Fassaden, die einen großartigen Stadtraum erschaffen! Meinetwegen kann’s ja modern sein, dafür braucht man aber keine Glasfassade über drei Stockwerke. Immer dieses Gerede von Transparenz und Offenheit. Man sollte den Vorgang, der zu solch einem Entwurf führt, transparent und offen gestalten! Uns Bürgern wird das einfach vorgesetzt. Ein Konzept muss her für die gesamte Stadtmitte! Dazu klare Bauregeln und eine Gestaltungssatzung!

Jörg Hartmann, Potsdam

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