Lesermeinung: NPD-Aufzug: Kritik an Kritik der Gewerkschaft
Zu: „Kritik an Polizeieinsatz bei NPD-Aufzug. Die Gewerkschaft wirft der Landes- und Stadtpolitik Einflussnahme vor, da Blockade nicht geräumt wurde“, 18.
Stand:
Zu: „Kritik an Polizeieinsatz bei NPD-Aufzug. Die Gewerkschaft wirft der Landes- und Stadtpolitik Einflussnahme vor, da Blockade nicht geräumt wurde“, 18.9.
Der Gewerkschaft der Polizei, vertreten durch Herrn Schuster, hat es nicht gefallen, dass 2000 Polizeibeamte nicht zum Einsatz kamen und somit nicht auf Gegendemonstranten, darunter viele Familien mit Kindern, einschlagen durften, um der Demonstration der Neonazis zu ihrem Recht zu verhelfen. Ich kann nicht glauben, dass dies die Position einer Gewerkschaft in Deutschland ist. Es mag zutreffen, dass die Gegendemonstration nicht rechtmäßig war. Aber Herr Schuster müsste wissen, dass die Polizei bei ihren Maßnahmen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen muss. Die Abwägungsentscheidung, nicht gewaltsam gegen die Familien vorzugehen, erscheint in höchstem Maße nachvollziehbar. Wieso mischt sich ein Gewerkschaftsvertreter in inhaltliche Entscheidungen der Polizeiführung ein, zumal dadurch ein gewaltsamer Einsatz der Beamten vermieden worden ist? Herr Schuster sollte umgehend zurücktreten!
Michael Bode, Potsdam
Recht auf Widerstand
Es geht nicht nur um formale Gesetze, sondern um die Frage, welche Rechte und welche Pflichten die Menschen in einer Demokratie haben. Wenn man Herrn Schmidt folgt, wäre Indien noch heute eine britische Kolonie – aber die Inder haben sich durch gewaltlosen Widerstand von dem kolonialistischen Joch befreit.
Natürlich ist die Polizei an Gesetz und Recht gebunden – aber nicht nur an das formale Gesetz, sondern an das dem Gesetz und der Verfassung innewohnende Recht! Und dabei muss berücksichtigt werden, dass alle Deutschen das Recht zum Widerstand haben gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Dass die NPD zum Ziel hat, diese verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, ist bekannt. Andere Abhilfe war am Hauptbahnhof nicht möglich, sonst hätte man die NPD marschieren lassen müssen.
Joseph Geberth, Potsdam
Zu: „NPD-Protest: Justiz wartet vorerst ab“, 19.9.
Der GdP-Landeschef Andreas Schuster behauptet, „wir hätten auch nicht mit Wasserwerfern und Schlagstöcken geräumt“ – dazu stellt sich mir die Frage, seit wann es Aufgabe einer Gewerkschaft ist, das Gewaltmonopol des Staates an sich zu reißen? Auch eine Gewerkschaft wie die GdP hat sich ausschließlich um Arbeitnehmerrechte innerhalb ihres Verantwortungsbereiches zu kümmern. Es ist schon grotesk, zu lesen, wie ein Gewerkschaftschef hier mit den Bürgerrechten auch von Arbeitnehmern anderer Gewerkschaften jongliert! Denn woher weiß Schuster schon vorher, wie sich die Räumung vollzogen hätte? Verfügt er über hellseherische Fähigkeiten? Ich war mit meinen damals noch kleinen Kindern 2004 auf der Langen Brücke in Potsdam dabei, als schon einmal bei einer Antinazidemo „geräumt“ wurde. Nur mit Mühe kam meine Familie mit dem Schrecken davon, andere engagierte Bürger hatten auf dieser Demo weniger Glück.
Seine Behauptung, bei der Demo seien keine Kontrollen durchgeführt worden, stimmt nicht. Ich wurde gegen 14 Uhr daran gehindert, den Hauptbahnhof zu betreten und musste einem Polizeibeamten erst erklären, warum ich ein T Shirt mit der Aufschrift „Schöner leben ohne Nazis“ trug, bevor man mich widerwillig passieren ließ. Als langjähriger Gewerkschafter schäme ich mich für die Äußerungen und das Verhalten des GdP-Chefs Schuster.
Uwe Diedrich (Gewerkschaftssekretär Fachbereich Handel), Potsdam
Zum Kommentar „Rechte – auch für Rechte“, 18.9.
Da hat der Kommentator wohl etwas nicht richtig wahrgenommen. Die erfolgreiche Blockade der angemeldeten Marschroute der Nazi-Demo ist nicht einem rechtswidrigen Verhalten einiger Bürger inklusive dem Oberbürgermeister zu verdanken. Nein, eine durchaus rechtskonforme Spontan-Demonstration einer Handvoll Potsdamer, die in dieser Form wirklich spontan (ich war dabei) zustande gekommen ist und in wenigen Minuten von 10, auf 200 und später auf 2000 Mitbürger anschwoll, war dafür verantwortlich. In der Abwägung der Verhältnismäßigkeit gab die Polizei dieser Demo halt die „Vorfahrt“. Dass nach dem offiziellen Ende gegen 15 Uhr nicht binnen Minuten die Kreuzung geräumt wurde, obwohl dies bei ganz enger Auslegung des Gesetzes wohl möglich gewesen wäre, darf man einem gewissen Spielraum der Polizei wohl zugestehen, zumal es sich ohnehin abzeichnete, dass die zeitgleiche Stand-Kundgebung der Nazi-Demo in der geräumigsten Straßenbahnhaltestelle Potsdams sich dem Ende neigte. Dies alles sollte bekannt sein, dennoch wird in dem Kommentar polemisiert, es wäre blauäugig anzunehmen, einem Nazi-Aufmarsch mit einem 200er-Polizei-Kordon die ihr zustehende Missachtung beizumessen. Dann hätten wir diese Aufmärsche in unserer Stadt vierteljährlich. Und es gesellen sich bald Herr Schulze und Herr Müller dazu, die sich dem deutschen Volkskörper heimlich verpflichtet fühlen. Nein, keine Nazi-Aufmärsche in unserer Stadt zu haben, ist für mich Lebensqualität, die für die Stadt Potsdam spricht und wirbt. Manche mögen barocke Fassaden und alte Kirchen und schöne Mitten. Ich schätze es, in einer Stadt zu wohnen, in der die NPD und Konsorten keinen Fuß fassen können.
Sandro Szilleweit, Potsdam
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