zum Hauptinhalt

Lesermeinung: Pro & Contra zu gewagter Studenten-Architektur

Zu: „Gurken züchten am Stadtschloss“, 13.3.

Stand:

Zu: „Gurken züchten am Stadtschloss“, 13.3.

Potsdam partizipiert ausschließlich vom kulturellen Ruf des 18. und 19. Jahrhunderts, besonders von der „gebauten Kultur“ in ihrer Einheit von Architektur und Landschaft - darum ist Potsdam ein Gesamtdenkmal. Aber seit der Wende versuchen immer wieder neue Leute, Potsdam nach dem Muster umzugestalten, welches sie modern nennen – zum Glück sind bisher nahezu alle auf der Strecke geblieben. Das läuft immer wieder nach dem Muster ab: Sagen wir den Bayern, wie hoch ihre Berge sein müssen. Also: Arroganz gegenüber dem, was die Geschichte für gut befunden hat. Modernistische Implantate verfälschen die Ausstrahlung historischer Innenstädte. Damit ist nicht gesagt, dass es keine zeitgenössische Architektur geben kann – selbst Potsdam ist die Summe europäischer (zeitgenössischer) Gestaltungsideen –, aber sie soll ihren Platz dort finden, wo er angemessen ist. Sie soll auch nicht versuchen, sich an den „Säulen“ zu messen – das schafft sie nicht. Jede Stilrichtung soll auf ihrem Platz, in ihrem Ensemble wirken, dort ist auch ihre Wirkung abgerundet.

Am Ende steht die Verantwortung der Architekten, Stadtbaudirektoren und weiterer Entscheidungsebenen. Bei all dem Drang auf Wachstum muss man Grenzen setzen und die liegen in Potsdam etwa bei maximal 180 000 Einwohner, denn es darf nicht das zugebaut werden, weswegen alle hierher möchten! Gut wäre es, wenn man sich endlich von der Fragestellung trennen könnte, die da lautet: „Wie gehen wir mit historischen Innenstädten um?“ In Italien versteht man das völlig unproblematisch – man geht ganz einfach in historischen Innenstädten um, basta! In der allgemeinen Verrohung unserer Zeit muss es gelingen, Platz für Gefühle zu schaffen – im zwischenmenschlichen Umgang ebenso wie in der Architektur. Materialien, Farben und Formen können im gleichen Maße wohltun wie abschrecken. Nach den Architekten allein darf es nicht gehen, denn wir alle wohnen in ihren Bauten. Die Umwelt wird von „Greenpeace“ geschützt – wer schützt uns vor Architekten, die die Landschaft als ihre Spielwiese und nicht als unser aller Lebensraum verstehen?

Zum Glück sind bei den Entwürfen auch tadellose Ideen dabei, nur darf es nicht zum generellen Konflikt kommen, der die Homogenität Potsdams in den verschiedenen Quartieren verfälscht. Nichts darf geschehen, was Potsdam der Beliebigkeit aussetzt, denn Bauten, die man überall antreffen kann, sind schädlich für das Gedächtnis Europas, in dem auch Potsdam seinen geachteten Platz hat.

Horst Prietz, ehemaliger Vorsitzender des Kulturausschusses Potsdam

Zu: „Gurken züchten am Stadtschloss“, 13.3.

Die Vision der Studenten kann absolut überzeugen. Denn gerade für eine Stadt mit einer so besonderen und vielschichtigen Geschichte wie Potsdam bietet es sich an, Vergangenheit und Zukunft auf eine intelligente Art und Weise zu verbinden. Und sich damit ein Alleinstellungsmerkmal sowie eine hohe Lebensqualität zu geben, die nicht nur herkömmliche Touristen anzieht, sondern auch jene, die einmal etwas Neues und Kreatives erleben wollen. Wobei sich die Landeshauptstadt schon aufgrund des Windschattens von Berlin in einer äußerst günstigen Ausgangslage befindet, um sich mit ihrer eigenen individuellen Stärke, wie einem großen zentral gelegenen und zum Glück immer noch frei zugänglichen historischen Erbe, eingebettet in Grünanlagen und neben Kanälen, vor einem ebenso internationalen Publikum zu profilieren. Weswegen Stadt- und Landesregierung gut daran tun, nicht nur die Ausstellung selbst zu besuchen, sondern ebenfalls der ein oder anderen Idee zu einer zügigen Umsetzung zu verhelfen. Zumal sich in Zeiten knapper öffentlicher Kassen der städtebauliche Quantensprung auch über einen identitätsstiftenden Spendenfonds oder Sponsoren realisieren lässt!

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })