Lesermeinung: Schlossputten entbehren jeder Niedlichkeit
Links und rechts der Langen Brücke: Noch steckt der Schlüssel, 24.11.
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Links und rechts der Langen Brücke: Noch steckt der Schlüssel, 24.11. 2007
Für die Rekonstruktion der Außenfassaden des Potsdamer Stadtschlosses bilden die erhaltenen Skulpturen und Fragmente des Bauschmucks die wesentliche Grundlage: neben den historischen Bodenfunden ermöglichen sie es, am wichtigsten Ort in der Potsdamer Mitte wieder eine Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart zu schlagen. Soll Geschichte nicht zum Surrogat, zum Disneyland verkommen, bedarf es der Wiederverwendung der Fragmente und ihrer Beachtung als historische Quelle für eine fachlich korrekte Rekonstruktion. Nur dann kann eine schlüssige Korrespondenz zum modernen Landtag entstehen, die tatsächlich zum Symbol brandenburgischer Identität werden kann. Der Blick der Menschen ist unbestechlich. Die Bewunderung für die Schönheit des Bauwerkes und für die Leistung der Erbauer unserer Tage ist nur unter Beachtung dieser Prämisse zu haben. Und nur dann können die volkswirtschaftlichen Effekte in der Schaffung qualifizierter Arbeit, in der Ausstrahlung auf die Entwicklung der noch ungenutzten Grundstücke der Mitte und in den Effekten für den Tourismus entstehen. Nichts wäre schlimmer und peinlicher, als eine gepfuschte Ähnlichkeit, eine vage Erinnerung, die sich aus der Haltung „nicht bis zur letzten Putte“ ergeben könnte. Die Qualität der historischen Fassaden, die ja der Auslöser für alle politischen Beschlüsse und für das große Engagement der Bürger ist, entsteht erst aus spezifischen Maßen der einzelnen Baukörper und einem meisterhaften Dekorationssystem. Es ist nicht eine Frage politischer Kompromissfähigkeit – die wurde mit der höchst problematischen Dreingabe des Innenhofes und der Tiefgarage wahrlich unter Beweis gestellt –, sondern die Frage, ob das Ganze überhaupt einen Sinn bekommt oder nicht.
Und zu den Putten: Der Skulpturenschmuck des Potsdamer Stadtschlosses entbehrt jeder Niedlichkeit. Er verkörpert in einer für den baugebundenen Sandsteinschmuck des Barock ungewöhnlichen Eleganz ein Regierungsprogramm, dass jedem Landtag gut zu Gesichte steht: Minerva, die Göttin der Künste und Wissenschaften, und Herkules, der „gute Held“, beherrschen das Bild. Putten gab es bis auf wenige Ausnahmen nur an den Kolonnaden, von denen es nur für die westliche eine Chance gibt, und an der Puttentreppe, die man ebenfalls nicht verloren geben mag. So sehr man die Forderung des Autors, die Potsdamer dürften nicht um das Potsdamer Stadtschloss betrogen werden, unterstützen und auf die Brandenburger, die Berliner und die Gesellschaft als Ganzes erweitern möchte, den Puttensatz sollten wir vergessen.
Saskia Hüneke, Stadtverordnete für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied in mehreren Ausschüssen, u.a. im Ausschuss für Kultur und für Stadtplanung und Bauen
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