Lesermeinung: Schule 1989
Zu: „Mein Wende Herbst – Schneckenessen“, 16.11.
Stand:
Zu: „Mein Wende Herbst – Schnecken
essen“, 16.11. 2009
Die Erinnerung meiner Mitschülerin Doreen Jacobi an die Wahl des Schulleiters an der EOS 4, dem heutigen Helmholtz-Gymnasium, und ihre Lobpreisung des ehemaligen Direktors Ulrich Simchen kann ich nicht unwidersprochen stehen lassen. Die Schulkonferenz war im Herbst 1990 nach dem Schulgesetz des letzten DDR-Bildungsministers Hans-Joachim Meyer (CDU) zur Hälfte von Lehrern besetzt und zur anderen aus Schülern und Eltern. In dieser Konstellation stimmte das alte Lehrer-Kollegium nahezu geschlossen für ihren alten Direktor und sorgte so für seine Mehrheit. Die Eltern- und Schülervertreter stimmten mehrheitlich für den heutigen Schulleiter Dr. Dieter Rauchfuß, beziehungsweise für eine junge Kandidatin aus dem Lehrerkollegium. Da das Votum für das Schulamt nicht bindend war, konnte die Entscheidung zugunsten des aus West-Berlin stammenden Kandidaten Rauchfuß erreicht werden. Wenig später wurde Ulrich Simchen an eine andere Schule versetzt und dann aufgrund seiner IM-Tätigkeit für das MfS ganz aus dem Schuldienst entlassen. Unter der Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) wurde die Zusammensetzung der Schulkonferenz ab 1991 paritätisch geregelt (1:1:1 - Schüler:Eltern:Lehrer), was bis heute an allen brandenburgischen Schulen praktiziert wird. Es waren die Schüler, die sich im Herbst 1989 an der Helmholtzschule als erste die Freiheit nahmen, ihre Meinung öffentlich zu äußern und sich außerhalb der ideologisch von der Schulleitung kontrollierten FDJ zu versammeln. Die verunsicherte und verzagte Lehrerschaft hatte ein Jahr später noch nicht den Mut, sich von ihrem geschickt gewendeten aber belasteten Kollegen zu verabschieden.
Daniel Zeller, Schülersprecher der Helmholtz-Schule von 1990-1992
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