Lesermeinung: Schulsozialarbeit stärkt die Vielfalt
Schulsozialarbeit: 20 von 24 Schulen melden Bedarf an, 5.9.
Stand:
Schulsozialarbeit: 20 von 24 Schulen melden Bedarf an, 5.9. 2007
Vor der Sitzung des Jugendhilfeausschusses fielen drei Schulsozialarbeiter wie Sterne aus dem Himmel in drei Potsdamer Schulen. Vorangegangen war eine Befragung aller Schulen durch das Jugendamt. Der vom Jugendamt, ohne Beratung im Jugendhilfeausschuss, an die Schulen verschickte Fragebogen zielte auf Probleme (Armut, Gewalt, Arbeitslosigkeit, Drogen, Scheidung und mehr). Werden in einer Schule die Probleme erkannt, sieht diese auch das Jugend- und Schulamt und teilt nach einem Ranking die Schulsozialarbeiter zu. Ist das Kind in den Brunnen gefallen, wirft man den Schulsozialarbeiter hinterher. Er darf dann mit Kindern und Jugendlichen ums Überleben kämpfen. Das diskreditiert die Sozialarbeit. Ingo Müller, Schulleiter der Lenne''-Gesamtschule, hat in den PNN zu Recht darauf verwiesen, dass der Ansatz der Verwaltung verkehrt ist: Man reagiert nur auf Missstände, dabei braucht jede Schule die soziale Komponente. Klar, überall wo Kinder heranwachsen entstehen auch Probleme. Die Sicht der Schule muss vielseitig sein. In Skandinavien sitzen ganz selbstverständlich Lehrer, Sozialarbeiter, Psychologen und Sonderpädagogen zusammen und beraten, wie die Probleme der Kinder bewältigt werden können. Um auch bei uns solche notwendigen Fachkräfte an die Schulen zu bekommen, bedarf es Änderungen im Schulgesetz. Davon sind wir leider in Brandenburg wie auch in anderen Bundesländern weit entfernt. Wenn Potsdam sich dennoch dieses Problems annimmt, ist das ehrenwert – auch wenn das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt wurde. Statt vorrangig und ausschließlich nach Problemen zu fragen, hätten die Kriterien der verschickten Befragung im Jugendhilfeausschuss qualifiziert werden müssen. Ich hätte mir offenere Fragen gewünscht: Welchen Beitrag können Schulsozialarbeiter zur Schulentwicklung und im Schulleben leisten? Wie kann Sozialarbeit ins Schulprogramm integriert werden? Wie können Lehrer und Sozialarbeiter zusammenarbeiten? Was kann die Schule durch den sozialarbeiterischen Blick gewinnen? Dann wäre auch die von Lutz Stahlberg, dem Koordinator der Schulsozialarbeit in Potsdam, geäußerte Sorge, dass Schulen nicht antworten oder keinen Sozialarbeiter wollen, weil dies Imageschäden zur Folge habe, der Boden entzogen. So wie das Jugendamt die Schulen befragt, müssen Schulen tatsächlich ein schlechteres Anwahlverhalten befürchten. Es muss endlich ins Bewusstsein: Schulsozialarbeit stärkt die Vielfalt einer Schule! Sie unterstützt Lehrer und Schüler bei ganz normalen Entwicklungsproblemen. Sie kann das Einfühlungsvermögen für Kinder und Jugendliche stärken. Die Kompetenzen der Sozialarbeiter erweitern die schulischen Möglichkeiten jeder Schule! Potsdam kann durch die Förderung von Schulsozialarbeit ein Vorreiter in Brandenburg werden.
Frank Wernick-Otto, für Bündnis 90/Die Grünen im Jugendhilfeausschuss der Stadt Potsdam
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