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Lesermeinung: Sonderpädagogische Ausbildung für alle Lehrer!

Zu: „Ein Hauch normales Leben“, 8.10.

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Zu: „Ein Hauch normales Leben“, 8.10.

Ich war Klassenlehrer und Schulleiter an einer Steglitzer Grundschule. Mit Kindern wie Sophie hatten wir zu tun und wir haben unser Bestes gegeben, diesen Kindern gerecht zu werden. Heute bin ich in der Schulaufsicht für Grundschulen tätig.

Inklusion muss man wollen. Wenn niemand ausgegrenzt werden soll, ist das eine schwierige Aufgabe. Nicht ausgrenzen heißt nicht, dass alle alles mitmachen können. Im Sportunterricht wurden Kinder im Rollstuhl als Schiedsrichter beteiligt oder mit anderen für sie lösbaren Aufgaben gefördert, sie hätten niemals Hochsprung oder einen 1000-Meter-Lauf machen können.

Inklusion bezieht sich nicht nur auf Kinder mit Beeinträchtigungen körperlicher oder geistiger Art. Sie meint den Abbau aller Barrieren, auch der, die das Lernen behindern. Damit sind auch Kinder ohne oder mit wenig Deutschkenntnissen, mit anderen kulturellen Hintergründen gemeint. Oder die große Gruppe der verhaltensauffälligen Schüler.

Die eigentliche Schwierigkeit ist, dass weder die Ausbildung der Lehrkräfte noch die politischen Rahmenbedingungen in der Schule im Zusammenhang mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention im Jahre 2009 angepasst wurden. Als Beispiel möchte ich die im Artikel beschriebene Kürzung der Schulhelferstunden aufgreifen. Noch immer bilden wir Sonderpädagogen aus, anstatt sonderpädagogische Schwerpunkte in das Studium für alle (!) angehenden Lehrer verbindlich aufzunehmen. Die Lehrkräfte geben die Aufgabe an „Spezialisten“ ab, von denen ich weiß, dass Sie mitunter auch nicht genau wissen, was zu tun ist.

Es gibt in Berlin seit Jahren für jedes Schuljahr feste Kontingente für Schulhelferstunden, Integration, Sprachförderung etc... Diese Stunden werden durch die Politik beschlossen. Diese muss die Schulaufsicht verteilen und wenn die Zahl der Kinder mit Förderbedarf steigt, muss geschaut werden, wer die Mittel am dringendsten benötigt. Das führt zu einer Verringerung an anderer Stelle. Dabei ist der Ausbildungsstand der Schulhelfer nicht festgelegt. Solange nicht der tatsächliche Hilfebedarf für jeden Einzelfall festgestellt und bewilligt werden darf, kann nicht allen geholfen werden. Dabei muss im Interesse der Steuerzahler zwischen Notwendigem und Wünschenswertem unterschieden werden. Geld allein oder die Anzahl der Stunden für ein Kind sind nicht ausschlaggebend. Die Haltung der Erwachsenen ist die entscheidende Komponente sowohl die der Eltern als auch der Lehrkräfte und Erzieher und aller Menschen, die mit Kindern zu tun haben. Hier tun sich viele schwer mit einem vernünftigem Mittelmaß. Mit dieser gesellschaftlichen Aufgabe werden alle oft alleingelassen werden. Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihre Hausaufgaben macht. Das Gesetz lässt seit 2009 die Frage, ob wir inklusive Schule machen wollen, nicht mehr zu. Es geht nur noch um das „wie“. Ich hoffe, dass Sophie einen Platz in der Schule findet, der ihr die richtigen Menschen an die Seite stellt, auch wenn die Umsetzung der Inklusion in unsrer Gesellschaft noch ein langer Weg sein wird.

Jörg Grötzner, Werder (Havel)

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