Lesermeinung: Stasi-Debatte: „Es gab ein gründliches Verfahren“
Generelle Überprüfung ausgeschlossen 6.6.
Stand:
Generelle Überprüfung ausgeschlossen 6.6. 2009
Mehr Sachlichkeit bei der Stasidebatte in der Polizei! Da wird behauptet die Überprüfung sei lax gewesen, in der „Bischofskonferenz“ hätten IM gesessen und es hätte generell Versäumnisse gegeben. Tatsache ist, dass die „Bischofskonferenz“ bei der Überprüfung zur Zusammenarbeit mit der Stasi, so zu sagen nur die „Vorinstanz“ war. Sie überprüfte im Zeitraum 1990 bis 1991 die von den Kolleginnen und Kollegen auszufüllenden Personalfragebogen zur besonderen Systemnähe und zur Zusammenarbeit mit der Stasi. Dort wo Angaben gemacht wurden, erfolgten persönliche Gespräche und in zirka 100 Fällen wurde die Empfehlung zur Nichtübernahme ausgesprochen. Die Frage, ob Mitglieder der Kommission IM waren oder nicht, ist für die Bewertung der Gründlichkeit der Überprüfung ziemlich unrelevant. Danach erfolgte im Zeitraum von 1991 bis 1996 die eigentliche Überprüfung über die „Gauck-Abfrage“ für alle Beschäftigten in der Polizei. Fiel sie positiv aus, also waren Akten vorhanden, wurden, von der „Gauck-Behörde“ ausgewählte Kopien davon, den folgenden Personalgesprächen zu Grunde gelegt. Die Betroffenen konnten ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahrnehmen und zum Personalgespräch nach Wunsch eine Person des Vertrauens hinzuziehen. Gegenstand der Gespräche waren die belastenden aber auch die entlastenden Momente der Tätigkeit für die Stasi. Oftmals gab es zwar Akten, beispielsweise eine Registrierkarte als IM, ein Bericht eines Stasimitarbeiters, aber weitere Zeugnisse für ein wirkliches Tätigwerden für die Stasi – der eigentliche Entlassungsgrund, den der Einigungsvertrag vorsah – gab es nicht. Hier wurde in den meisten Fällen keine Kündigung oder Rücknahme der Ernennung zum Beamten ausgesprochen. Ansonsten wurden die Personalräte ordnungsgemäß beteiligt, wenn es zu einer Kündigung oder Rücknahme der Ernennung kam, von denen etwa 500 Personen betroffen waren. Die Überprüfung des Personalbestandes stand auch auf diesem Wege unter ständiger parlamentarischer Kontrolle. Es gab also in Brandenburg ein ordentliches rechtsstaatliches und gründliches Verfahren, dem sich alle Beschäftigten unterziehen mussten. Dem zur Folge hielten sich auch die Rechtsstreitigkeiten im Land Brandenburg in Grenzen und eine pauschale Entlassung von ganzen Beschäftigtengruppen gab es nicht. Ich hoffe, dass diese Hinweise zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen können und nicht erneut alle Polizistinnen und Polizisten unter einen Generalverdacht gestellt werden.
Dr. Andreas Bernig, ehemaliger Vorsitzender des Polizei-Hauptpersonalrates
Zur Äußerung des Ministerpräsidenten Matthias Platzeck: „Als evangelischer Christ muss man in der Lage sein zu verzeihen“
Die Äußerung macht mich betroffen. Und zwar als evangelische Christin. Verzeihen setzt voraus, dass derjenige, dem vergeben werden soll, um Verzeihung bittet und zur Wahrhaftigkeit bereit ist. Verzeihen ist ein höchstpersönlicher Vorgang, den niemand anderes vollziehen, beurteilen oder gar vorschreiben kann als das Opfer der zu verzeihenden Tat selbst. Ist etwa ein weniger guter Christ, wer hier nicht zuerst an Verzeihen, sondern zunächst mal an Aufklärung denkt? Unangebracht ist ferner der Vergleich mit Mördern, die eine Freiheitsstrafe verbüßt haben. Damit werden diejenigen, die unter dem SED-Regime gelitten haben, auf bittere Weise daran erinnert, dass die Verantwortlichen meist ja noch nicht mal dienstrechtliche Konsequenzen zu gewärtigen hatten, von strafrechtlichen ganz zu schweigen.
Das ist genauso verquer wie die Argumentation, mit der einige Zeitgenossen Äußerungen über ihre Vergangenheit gerichtlich untersagen lassen: Da nimmt man ein Resozialisierungsinteresse für sich in Anspruch, ohne jemals strafrechtlich belangt worden zu sein. Man kann zu manchem verschiedener Meinung sein. Man kann seine Meinung auch vertreten, ohne sich jedes noch so instinktlosen Argumentes zu bedienen. Vor allem kann man ostdeutscher Herkunft sein, ohne sich mit dem SED-Regime und dessen Trägern zu identifizieren. Zukunft braucht Herkunft. Und nicht minder die Bereitschaft, mit letzterer angemessen umzugehen.
Linda Teuteberg, Potsdam
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