Lesermeinung: Staus stadteinwärts – sind die Pförtnerampeln ein Problem?
Zu: „Angestauter Ärger. Potsdams Nachbarn sind sauer über die Pförtnerampeln – und bezweifeln deren Sinn für die Luftreinheit.
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Zu: „Angestauter Ärger. Potsdams Nachbarn sind sauer über die Pförtnerampeln – und bezweifeln deren Sinn für die Luftreinheit. Besonders vor Pirschheide eskaliert die Lage“,22.8.
Seit Anfang August können Verkehrsteilnehmer auf den Displays am Fahrbahnrand lesen: „Luftschadbelastung hoch, Verkehrsdosierung aktiv“. Dieser Hinweis wirkt wie eine Drohung! Denn er bedeutet: Stau stadteinwärts! Von einer „Verkehrsdosierung“ oder „Verflüssigung des Verkehrs“ kann keine Rede sein, eher von einer „Verfestigung des Verkehrs“ vor den Stadttoren. Zeitweise betrug die „Verfestigung“ im morgendlichen Berufsverkehr auf der B1 von Geltow kommend 30 Minuten. Da ging dann auch in Geltow nichts mehr.
Wer diesen Zustand als „Erfolg“ bezeichnet, dem kann nicht mehr geholfen werden. Potsdam produziert vorsätzlich Staus, verbunden mit Lärm- und Luftbelästigung in umliegenden Gemeinden.
Hier geht es um mehr als eine Ampelschaltung, es geht um die politische Einstellung der Stadt zum Verkehr und um Glaubwürdigkeit zu ökologischen Themen. Man möge sich eine solche Schaltung im Ruhrgebiet oder anderen dichtbesiedelten Ballungsräumen vorstellen. Ich glaube, wenn dort jede Stadt oder Gemeinde ihre eigene Pförtnerampel unterhält und bei „Schönwetter“ oder „erhöhter Schadstoffbelastung“ auf Rot schaltet, dann würde dort gar nichts mehr gehen. Bürgerinitiativen wären vorprogrammiert.
Man kann für vieles ein Verständnis haben, aber für eine vorsätzliche Produktion von Staus unter dem Deckmantel eines „ökologischen“ Verkehrsleitsystems, dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Andere Städte haben hiervon aus guten Gründen Abstand genommen.
Andreas Boldt, Geltow
Pförtnerampeln tragen nur begrenzt zur Lösung der Probleme bei
Potsdam ist eine lebenswerte Stadt, weil zahlreiche Grün- und Wasserflächen frische Luft und einen hohen Erholungswert versprechen. Anders sieht es auf Potsdams Straßen aus: Hier überschreitet die Luftschadstoffbelastung aus Feinstaub und Stickstoffdioxid die zulässigen EU-Grenzwerte um ein Vielfaches. Der zulässige Höchstwert an Feinstaubbelastung wird an 35 Tagen im Jahr überschritten, die maximal erlaubte Stickstoffdioxid-Belastung liegt im Jahresmittel über den zulässigen Höchstwerten. Hauptverursacher hierfür ist der Autoverkehr und hier die besonders stark befahrenen Straßen wie die Zeppelinstraße, Breite Straße, Behlertstraße und Großbeerenstraße. Wenn die Stadtverwaltung jetzt konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Luftschadstoffbelastung eingeleitet hat, ist dies zunächst zu begrüßen. Neben sauberer Luft sorgen die zu diesem Zweck eingerichteten Pförtnerampeln zudem dafür, dass Potsdam beziehungsweise das Land Brandenburg die Zahlung empfindlicher Geldbußen für die Überschreitung der EU-Grenzwerte vermeiden kann. Gleichwohl kann es nicht die Lösung des Problems sein, wenn die Verkehrsprobleme in der Landeshauptstadt nunmehr vor deren Tore verlagert wird. Notwendig sind vielmehr ergänzende Maßnahmen, die für eine nachhaltige Reduzierung des Durchgangs- sowie Ein- und Auspendelverkehrs nach Potsdam sorgen. Hierzu müssen sowohl der ÖPNV als auch der Radverkehr eine echte Alternative zur Nutzung des Autos darstellen. Der VCD Brandenburg fordert daher schon seit Langem den Bau von Park & Ride - Parkhäusern an den Stadtgrenzen (zum Beispiel an den Endhaltestellen der Tram in Pirschheide und Rehbrücke) sowie einer längst überfälligen Fahrradstation am Hauptbahnhof. Weiterhin ist eine konsequente Umsetzung des Radverkehrskonzeptes sowie dessen Fortschreibung erforderlich. Wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang Forderungen, beispielsweise der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf die Einrichtung eines Radweges entlang der Lindenallee, der Hauptverbindungsstraße des Universitätsstandortes Golm mit der Innenstadt, zu verzichten. Auch die flächendeckende Einführung von Tempo 30 sowie die Einrichtung einer Umweltzone nach dem Vorbild vieler deutscher Städte sollte seitens der Stadtverwaltung ernsthaft geprüft werden, um den Autoverkehr zu verlangsamen und die Luftschadstoffbelastung zu senken. Saubere Luft gibt es nicht zum Nulltarif. Sie ist das Ergebnis einer Vielzahl ineinandergreifender und aufeinander abgestimmter Maßnahmen. Die Pförtnerampeln können nur begrenzt zur Lösung der Probleme beitragen. Jetzt ist es an der Zeit, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um noch mehr Menschen zum Umstieg auf das Fahrrad und den ÖPNV zu bewegen.
Marc Nellen, Landesvorsitzender Verkehrsclub Deutschland (VCD) Brandenburg e.V., Potsdam
Autofahrer aus dem Umland sorgen für Stau
Als Anwohnerin im Potsdamer Westen begrüße ich das System der umweltorientierten Verkehrssteuerung (Pförtnerampeln), um die ohnehin übermäßig belastete Zeppelinstraße zu entlasten. Als zynisch empfinde ich die Äußerung vom ADAC, die Landeshauptstadt könne „ihre“ Verkehrsprobleme nicht vor die Tore verlagern. Tatsächlich verhält es sich doch umgekehrt: Die Bewohner der Umlandgemeinden produzieren durch ihren morgendlichen Individualverkehr den Stau auf der B1 - nicht die Potsdamer. Der Potsdamer Speckgürtel wächst weiter, ein dritter Havelübergang würde gute Dienste leisten, wurde seinerzeit aber ausgerechnet von den Umlandgemeinden abgelehnt. Nun müssen die Menschen mit den Konsequenzen leben. Die Geltower fürchten, dass ihnen der Erholungsort aberkannt wird. Aber sollen die Anwohner der Zeppelinstraße dafür regelmäßige gesundheitsbelastende Überschreitungen der Feinstaubimmissionen hinnehmen?
Marion Meyer, Potsdam
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