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Lesermeinung: Unausgegorenes Konzept oder Mäkelei am Entwurf?

Zu: „Synagogenstreit spitzt sich zu“, 15.3.

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Zu: „Synagogenstreit spitzt sich zu“, 15.3.

Eine Synagoge, die den Potsdamer Juden Freude bereitet und auf die sie stolz sind, wäre eine große Bereicherung für alle Bürger der Stadt. Glücklicherweise wird der Haberlandsche Entwurf endlich öffentlich diskutiert. Ud Joffe, unterstützt vom Potsdamer Gemeinderabbiner, spricht aus, was eigentlich offenkundig ist: Der Entwurf hat erhebliche Mängel und würde, wenn so gebaut, niemals das spirituelle Zentrum der Juden in Potsdam sein, das sie brauchen. Ein Gebetsraum mit 150 Plätzen? Selbst diese Zahl stimmt nur, wenn man die Leute wie Ölsardinen stapelt! Dafür ein eigener Raum für die Gemeindezeitung, die nicht umfangreicher ist als ein Kirchengemeindeblatt, für die noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, einen eigenen Raum zu beanspruchen – man muss kein Fachmann für jüdisches Gemeindeleben sein, um zu erkennen, dass das Raumprogramm höchst unausgegoren ist. Eine Gemeinde ist keine Firma, und was in ein wohnzimmergroßes Büro passt, kann auch in einem Wohnzimmer stattfinden. Was man aber braucht, weil man es zu Hause nicht hat, ist wenigstens ein repräsentativer Saal, oder zwei, wenn man Weltliches und Geistliches trennen möchte. Während der Vorstellung des Entwurfes ist der Bauvereinsvorsitzende Mentrup mit keinem Wort inhaltlich auf die Kritik eingegangen. Es war Joffe, der den Finger auf die Wunden legte: Der „zuschaltbare“ zweite Gebetsraum – in Wahrheit einfach ein benachbarter Raum – ist ein Überbleibsel aus der Zeit, als man noch die irrwitzige Idee verfolgte, eine Gemeinschaftssynagoge für liberale und orthodoxe Juden zu bauen. Man stelle sich einmal vor, wie es wohl sein würde, wenn man Baptisten und Katholiken in eine Kirche sperrt, und an Weihnachten dann leider nur eine Gemeinde Platz hätte! Nachdem der Bauverein diesen Konstruktionsfehler erkannt hatte, hat er es nicht für nötig befunden, den Potsdamer Rabbiner maßgeblich in die Planungen einzubeziehen, sondern sich Rat von Ortsfremden geholt. Mich erschreckt die Gleichgültigkeit, mit der Mentrup über die berechtigten Einsprüche hinwegzugehen versucht. Joffe ist laut geworden in dieser Veranstaltung, richtig – aber er hat Recht in der Sache: Es muss verhindert werden, dass dieser Schildbürgerstreich in Beton gegossen wird.

Dr. Andreas Tanner, Potsdam.

„Ich freue mich darauf!“

Mit Erstaunen habe ich die Äußerungen des Chabbad-Rabbiners Pressman über die angeblich „unkoschere“ Konzeption des neuen Gemeindehauses vernommen. Ein jüdisches Sprichwort besagt: zwei Juden, drei Meinungen. Das erklärt, warum ich die Meinung von Herrn Pressman nicht teile. Und dass wir Jüdinnen und Juden leidenschaftlich streiten, zeigt, wie sehr die geplante Synagoge unsere Herzensangelegenheit ist. Als ich das erste Mal den Entwurf für die neue Synagoge gesehen habe, der ja einem einzigartigen Wettbewerb entsprungen ist, war ich erfreut darüber, wie man die Bedürfnisse einer jüdischen Gemeinschaft, nämlich beten, lernen, in die Mikwe (das rituelle Tauchbad) gehen und das Erleben jüdischer Kultur auf begrenztem Raum effizient und in einer solch stilvollen Architektur umgesetzt hat. Alle Ansprüche, die eine jüdische Gemeinde an ihr Gotteshaus und Gemeindezentrum haben kann, werden berücksichtigt. Nun ist Architektur wahrlich Geschmackssache, aber das Innere meiner neuen Synagoge erinnert mich an die Synagoge der orthodoxen (Einheits-) Gemeinde in Köln, aus der ich stamme. In einem Gebetsraum mit einer Empore ist für jede religiöse Richtung ein Gottesdienst möglich. So können wir Frauen bei einem orthodoxen Ritus auf der Empore teilnehmen oder alle bei einem liberalen Ritus gemischt sitzen. Auch gibt es einen schönen Gemeindesaal, in dem wir zukünftig den Pessachabend zelebrieren oder an Sukkoth, das Laubhüttenfest auf der Dachterrasse feiern können. Es ist auch erstaunlich wie sehr auf die Einhaltung der jüdischen Gesetze beim Bau geachtet wurde, obwohl der Großteil der Jüdischen Gemeinde Potsdam auf diesem Feld nicht so sehr bewandert ist. So ist die Mikwe vom Mikwenexperten Rabbiner Meir Posen aus London konzipiert und die restliche Einrichtung mit dem Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz, Herrn Rabbiner Ehrenberg aus Berlin, abgestimmt. Und so können ich, meine Freundinnen und Freunde aller religiösen Richtungen, und auch meine zukünftigen Kinder und Kindeskinder ruhigen Gewissens in die neue Potsdamer Synagoge gehen. Ich freu mich drauf!

Renée Röske, Vorstandsmitglied des Bauvereins Neue Synagoge Potsdam und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Potsdam.

Mäkeln am anspruchsvollen Entwurf

„Verlorene Maßstäbe“ - das Motto der Woche der Brüderlichkeit könnte man auch über die gegenwärtige Diskussion zum Synagogenneubau in Potsdam schreiben. Während es in der Woche der Brüderlichkeit um die Zusammenarbeit von Juden und Christen, um ein fruchtbringendes Zusammenleben geht, führt die Diskussion zur neuen Synagoge zum Auseinanderdriften verschiedener jüdischer Gruppierungen in unserer Stadt. Je nach dem, welche Position vertreten wird, gibt es Unterstützung aus der Bürgerschaft, deren Mehrheit lange Zeit zwischen abwartend und teilnahmslos den Einbürgerungsprozess jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion verfolgte. Position zu beziehen ist also schon eine erfreuliche Nachricht für die „Neu“-Entwicklung jüdischen Lebens in unserer Stadt.

Jetzt aber scheint dieses Positionbeziehen zu einer Überdüngung zu führen, die das zarte Pflänzchen im Keim zu ersticken droht. Hat es doch mehr als zehn Jahre gedauert, dass vom ersten Suchen nach einem Grundstück für ein jüdisches Gemeindezentrum nun endlich ein Bauplan und ein realisierungsfähiger Entwurf vorliegt. Es gibt also nicht nur, wie seit langem von Ministerpräsident Matthias Platzeck zugesagt, ein Grundstück, sondern auch eine Finanzierungszusage des Landes Brandenburg, ein Bundesland in dem bisher noch keine einzige Synagoge wiedererstanden oder neu entstanden ist. Zwar hat diese Zusage nur den Charakter einer Leihgabe, aber sie hilft erst mal wirtschaften.

Natürlich kann ich Ud Joffes Wünsche nachvollziehen, ein repräsentativer Synagogenbau wie in München oder Dresden mit Platz für 800 oder mehr Juden und deren Gäste, dass wäre schon etwas, womit Potsdam ein Achtungszeichen setzen würde. Ist nur die Frage, woher sollen 800 Juden kommen, denn die Betergruppe „Minjan“ zählt nach Joffes eigener Veröffentlichung nur wenig mehr als 20 Personen. Soll die Synagoge für 50 Jahre leer stehen? In einem Interview wirft er ja den Blick auf die Entwicklung der nächsten 50 Jahre. Und auf die Frage der Finanzierbarkeit gibt er sicherheitshalber keine Antwort. Ein Antipot zu Joffe ist Schöps. Von seinen ursprünglichen Vorstellungen eines Gemeindezentrums in der Größe des Dresdner Neubaus hat er sich einsichtsvoll getrennt und will nun die „paar“ Potsdamer Juden zur Chabatfeier nach Berlin schicken. Ein Gemeindezentrum scheint ihm jetzt überflüssig. Wieso eigentlich? In Potsdam gibt es eine jüdische Gemeinde, sie gehört zum Verband Jüdischer Gemeinden in Brandenburg und existiert seit 1992, spätestens aber in heutiger Gestalt seit 1998. Sind diese fast 400 Menschen, die samt und sonders aus der Sowjetunion kamen, zu übersehen? Mindestens die im Synagogenbauverein versammelten Menschen haben diese Neubürger in unserer Stadt nicht nur wahrgenommen, sondern seit langem ihr Einleben hier in unserer Stadt unterstützt. Nachvollziehbar ist daher auch der Wunsch, wieder in einer Synagoge beten zu können und jüdischen Riten nachkommen zu können. Jahrelang haben diese jüdischen Mitbürger Geduld mit uns gehabt und sind mit uns alljährlich am 9. November zum Standort der alten Synagoge gezogen, immer mit der Hoffnung auf ein neues Gebäude. Und jetzt, kurz vor dem Ziel beginnt ein Mäkeln am zugleich schlichten wie anspruchsvollen Entwurf.

Christian Rüss, von „Mitteschön", verlangt gar, die jüdischen Gruppierungen mögen sich zusammensetzen, um zu einem gemeinsamen Entwurf zu kommen. Dabei weiß er doch, dass wir Christen seit fast 500 Jahren, also seit Luther, nahezu erfolglos um unsere Einheit bemüht sind. Unser Trost ist, dass Vielfalt auch Reichtum sei. Liegt nicht auch in der Vielfalt jüdischen Lebens eine Chance, auch für unsere Stadt? Wenn wir bei unserer jahrelangen Arbeit als Synagogenbauverein etwas gelernt haben so ist es die Erkenntnis, dass es auch in der jüdischen Religion keine Einheitlichkeit geben wird. Also sollte „Mitteschön“ damit beginnen, Ud Joffes Visionen zu unterstützen und nach Lösungen zu suchen. Schön, wenn wir, wann auch immer, eine zweite Synagoge von Dresdner oder Münchner Dimension haben. Wir, der Synagogenbauverein, werden uns für die jetzt gefundene Lösung mit aller Kraft einsetzen und nicht warten, bis die Vorstellung von Schöps wahr wird und alle Juden nach Berlin ziehen. Dann bliebe als aktuelle Lösung statt des künftigen Steubenplatzes nur ein Stelenfeld wie zwischen Amerikanischer Botschaft und Tiergarten in Berlin. Nach Potsdam gehört aber lebendiges Judentum in aller Couleur und mit bekannter Toleranz.

Horst-Dieter Weyrauch, Mitglied des Bauvereins Neue Synagoge Potsdam

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