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Lesermeinung: Veränderungen kommen in staatlichen Schulen nicht an

Zu: „23,7 Prozent Erstklässler an Privatschulen“, 15.8.

Stand:

Zu: „23,7 Prozent Erstklässler an Privatschulen“, 15.8. 2011

Warum Eltern Privatschulen so stark anwählen? Unsere beiden ältesten Kinder haben staatliche Grundschulen durchlaufen. Wir sind nicht reich und wir sind nichts „Besonderes“. Unsere Erfahrungen mit verschiedenen Schulen führten jedoch dazu, dass wir uns für unseren dritten Sohn, der diese Woche eingeschult wurde, für eine private Schule in konfessioneller Trägerschaft entschieden haben. Obwohl die Beiträge uns sehr belasten, war diese Entscheidung für uns alternativlos und wir sind überglücklich, dass uns einer der sehr begehrten Plätze zugelost wurde.

Nach wie vor herrscht an vielen staatlichen Schulen eine Atmosphäre, die den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte in keiner Weise Rechnung trägt. Beispielsweise wurde das Datum des 20-jährigen Mauerfalls selbst in höheren Grundschulklassen in keiner Weise erwähnt, das Thema DDR und ihre Geschichte sind bis in die höhere Schule Tabu. Teilweise werden in Geschichte, Politischer Bildung oder Geographie noch Arbeitsblätter und Landkarten aus der DDR verwendet. Ordnung und Anpassung als pädagogische Werte sowie frontale und kaum individuelle Wissensvermittlung sind an der Tagesordnung.

Diese Grundhaltung kann auch durch wenige engagierte Lehrer nicht aufgehoben werden. Zum Religionsunterricht sagte mir einmal eine Lehrerin: „Die Religionslehrer sollen froh sein, dass sie diese Schule überhaupt betreten dürfen“ – in der weiterführenden Schule meines ältesten Sohnes wird Religion als Fach gar nicht erst angeboten. So viel zur Glaubens- und Meinungsfreiheit. So viel zum Geschichtsverständnis. Schwierige Situationen werden ausgesessen oder verschoben, Lehrer, die nicht motiviert oder mit fatalen Methoden schwarzer Pädagogik unterrichten, müssen ausgehalten werden, es gibt auch mit starkem Elternengagement kaum Möglichkeit der Einflussnahme oder Veränderung.

Aus unserer Perspektive wählen Eltern aus diesen Erfahrungen heraus bestimmte Schulen stärker als andere. Sie wählen zunehmend Schulen in freier Trägerschaft, weil sie eine kreativere und freiere Bildung und Entwicklung für ihre Kinder wünschen.

Sie wählen freie Schulen, weil sie dort ernst genommen werden – als Eltern und als Bürger. Wer seine Kinder zu mündigen und demokratischen Menschen erziehen möchte, braucht diese Wahl. Eltern und Kinder in unbeliebte, weil pädagogisch schlechte Schulen zu zwingen, indem man die Wahl einschränkt, kann nicht die Lösung sein. Sich Gedanken über die Situation der schlecht angefragten staatlichen Grundschulen zu machen schon eher. Hier hängt die teilweise desolate Situation nicht (zumindest nicht nur) am Geld. Mit Bestürzung und Besorgnis haben wir die Entscheidung über die Kürzung für die freien Schulen zur Kenntnis genommen.

Regina Riedel (Mutter von drei Kindern), Potsdam

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