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LINDENPARK WASCHHAUS: Von der Bühne ins Waschhaus

Das populärste Kulturzentrum in Potsdam hat einen neuen Chef. Er soll nach der Insolvenz den Neuanfang managen

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Berliner Vorstadt - Wilfried Peinke tappt im Dunklen. Nur seine Stimme ist zu hören: „In meinem Theater wusste ich immer, wo das Licht angeht. Die Feinheiten hier habe ich noch nicht kennen gelernt.“ Feinheiten wie die Lichtschalter.

Nicht so schlimm, so ganz offiziell ist Peinke schließlich noch nicht der neue Chef des Veranstaltungszentrums Waschhaus an der Schiffbauergasse. Erst ein paar Stunden später wird er an diesem Freitag den Vertrag unterschreiben, der ihn zum Hauptverantwortlichen macht. Es ist ein Neubeginn nach der Insolvenz im vergangenen Sommer. Und der Zeit „unterm Damoklesschwert“, wie Peinke sagt. Und erzählt, wie der Betrieb vom Insolvenzverwalter aufrecht erhalten wurde – ohne dass irgendjemand wusste, was aus dem beliebten Veranstaltungsort werden sollte.

Jetzt gerade ist Peinke kaum in der Finsternis zu sehen. Nur durch eine offene Tür fällt ein Tageslichtkegel in die Waschhaus-Arena. Man ahnt, wie groß die Halle ist. „Det hier ist die große Location, wie man ja jetzt auf Neudeutsch sagt. Für Konzerte und Partys, also das, was tatsächlich Geld einbringt“, kommt Peinke gleich zur Sache. Ein bisschen hat er sich schon eingearbeitet in die neue Aufgabe. Inoffiziell ist er bereits einige Zeit am Werk in den verschiedenen Häusern und Hallen die zum Veranstaltungszentrum dazugehören: Neben dem Wasch- und Kesselhaus, die beide wie der „Clubraum“ im Gebäude mit dem hohen Fabrikschlot zu finden sind, gehört auch die Arena nebenan dazu, der Kunstraum Potsdam auf der anderen Seite des Hofes und das „Offize-Studio“ für Tanz und Bewegung.

Vorher war Peinke Verwaltungsdirektor der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt. Seit dem 22. Januar ist er Geschäftsführer der neu gegründeten gemeinnützigen Waschhaus GmbH. „Ich war sehr verwundert, als ich gefragt wurde, ob ich das machen würde“, sagt er. „Ich gehöre ja nicht gerade zur richtigen Altersgruppe. So was wie hier habe ich mal früher irgenwann in meiner ersten Inkarnation betrieben“ – der 59-Jährige lacht. Nach dem Studium der Kultur- und Theaterwissenschaften an der Humboldt-Uni arbeitete er im Prater in Prenzlauer Berg, später wechselte er an die Volksbühne, wo der „gebürtige Ostler“, wie er sich nennt, „bis 1992 alle Wendewirren mitgemacht“ hat.

Und jetzt also das Waschhaus. In seinem Samtsakko zu Jeans und Wollschal wirkt Peinke wie ein künstlerisch angehauchter Schuldirektor. Vor allem, wenn er von Dingen wie „Bestuhlung“ spricht oder solche Sätze sagt: „Hier treibt sich die Raucherszene rum“. Dabei steht er neben zweien seiner neuen Kollegen, die sich im roten „Clubraum“ gleich neben seinem Büro eine Zigarette angezündet haben. Ein paar Stunden später wird er ihnen bei einer Mitarbeiterversammlung verkünden, dass sie alle bleiben dürfen. „Zu den gleichen Konditionen mit ähnlichen Aufgaben.“

Und wie wurde der Neue von der alten Belegschaft aufgenommen? „Nett, aber mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein und vielen Fragen“, sagt Peinke. „Das Haus hat eine Seele, das ist mir gleich am ersten Tag aufgefallen.“ Damit meint er auch die „engagierten Mitarbeiter, die schon alles über mich wussten“. Aber der Anfang war nicht nur positiv: „Ich habe erstmal einen Schock gekriegt, weil es hier so schwierig ist, sich einen Überblick zu verschaffen und die losen Einzelteile zu einer Betriebsstruktur zusammenzuführen.“

Anfangs hatte er noch kein Büro. Also ist er erst einmal „mit ’ner Tasche rumgelaufen“ und hat die „Kollejen befragt“, um sich ein Bild zu machen. Erst als er „nicht mehr wusste, wo ich das ganze Papier lassen sollte“, suchte er sich einen festen Arbeitsplatz. Unterlagen, die ihm „einen Blick ins Geschehen“ vor der Insolvenz vermitteln könnten, habe er kaum zu Gesicht bekommen. Warum es dazu kam, darüber will er nicht zu viel spekulieren. Er blickt lieber in die Zukunft.

Schließlich hat die Stadt gerade beschlossen, das Waschhaus ebenso wie andere Potsdamer Kultureinrichtungen mit zusätzlichen Fördermitteln auszustatten. „Das meiste davon brauchen wir aber für die Betriebskosten, weil die sich seit dem Umbau so stark erhöht haben. Was meinen Sie, wieviel wir jetzt etwa für Strom ausgeben!“ Eigentlich gut, dass er vorhin den Lichtschalter nicht gefunden hat.

Neben dem Waschhaus ist der Lindenpark e.V. das größte Zentrum für Jugend- und Soziokultur. Der Verein übernahm 1990 das ehemalige „Tanz- und Unterhaltungszentrum“ im Stadtteil Babelsberg und machte es zum beliebten Party- und Konzerthaus. Seit 2006 hatte der Lindenpark finanzielle Schwierigkeiten, die im vergangenen Sommer zur Insolvenz führten. Neuer Träger ist die Berliner Stiftung Sozialpädagogisches Institut, die von Potsdam jährlich mit 340 000 Euro gefördert wird und für dringende Sanierungen in diesem Jahr zusätzlich 650 000 Euro erhält. D.B.

DIE VERGANGENHEIT

1882 fertig gestellt diente das Backstein-Gebäude mit dem markanten Schornstein zunächst als Königliche Garnisons-Dampfwaschanstalt. Bis zu einem Brand im Jahr 1988 war in dem Haus eine Großwäscherei. Seit 1990 stand es leer, bis es 1992 von Künstlern besetzt wurde. Ein Jahr später wurde der Verein Waschhaus e.V. gegründet, der das Veranstaltungszentrum 15 Jahre lang betrieb.

DIE PLEITE

Bis zum Juni 2008 wurde das Waschhaus saniert, die Arbeiten dauerten wesentlich länger als geplant. Als sie fertig waren, meldete der Verein Insolvenz an.

DIE ZUKUNFT

55 Prozent der Ausgaben soll das Waschhaus aus eigenen Einnahmen decken. Der Rest wird von der Stadt Potsdam und dem Land Brandenburg hinzugegeben.dma

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