Lesermeinung: Wie fühlt sich politische Verfolgung an?
Das Bild von der ehemaligen DDR ist jetzt tiefgründigerIm Rahmen einer Exkursion des Faches Politische Bildung besuchten wir, die Klasse 10a des Wolkenberg Gymnasiums in Michendorf, die Schülerprojektwerkstatt, Lindenstraße 54 in Potsdam. Es ist die Gedenkstätte für Opfer politischer Gewalt, bekannt auch als ehemaliges Stasi-Gefängnis.
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Das Bild von der ehemaligen DDR ist jetzt tiefgründiger
Im Rahmen einer Exkursion des Faches Politische Bildung besuchten wir, die Klasse 10a des Wolkenberg Gymnasiums in Michendorf, die Schülerprojektwerkstatt, Lindenstraße 54 in Potsdam. Es ist die Gedenkstätte für Opfer politischer Gewalt, bekannt auch als ehemaliges Stasi-Gefängnis. Kaum einem von uns war dieses Gebäude bei einem Bummel durch Potsdam zuvor aufgefallen und so richtig vorstellen konnten wir uns die politische Wirklichkeit in der ehemaligen DDR nicht! Wie fühlt sich Bespitzelung, politische Verfolgung oder totale Überwachung an? Was bedeutet es, wenn es keinen rechtsstaatlichen Schutz für Bürger gibt? In der Gedenkstätte erfuhren wir, wie das Ministerium für Staatssicherheit Mitarbeiter anwarb und ausbildete, wie allgegenwärtig die Gefahr der Bespitzelung und wie chancenlos Bürger waren, sich dagegen zu wehren. Anschließend sahen wir uns im Gefängnis-Trakt um, wo die so genannten „Staatsfeinde“ inhaftiert waren. Der Anblick der Anlage mit seinen Haftzellen war für uns alle erschreckend. Keiner von uns konnte sich vorstellen, auch nur eine Nacht hier zu verbringen, geschweige denn eine Haftzeit von mehreren Monaten hier verbüßen zu müssen. In Erinnerung wird uns aber vor allem bleiben, was uns der 40-jährige Mario Falcke, ehemaliger Gefangener in den Gefängnissen der Staatssicherheit, erzählte. Falcke gehörte als Jugendlicher zur Gruppe „Storkower Tunnelmaler“, die politisch kritische Malereien an Tunnelwände im ehemaligen Ost-Berlin zeichneten. Nachdem Falcke mehrmals die US-Botschaft aufgesucht hatte, verhaftete ihn die Stasi im Januar 1984. Falcke sprach mit uns über die vielen menschenunwürdigen und zum Teil lebensbedrohlichen Begebenheiten während seiner Haftzeit und über seine Gefühle, – die Angst und die Wut eines Menschen gegen die Machenschaften der DDR. Dass Falcke am Ende seiner zweiten Haftzeit von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der humanitären Bemühungen freigekauft wurde, war die lang erhoffte Erlösung aus dieser düsteren Zeit. Manch Bitterkeit über die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ergreift ihn aber auch nach der „Wende“. Beispielsweise wenn er daran denkt, dass er bei einem Besuch einer Haftanstalt auch ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) begegnete, die sich als „Wendehälse“ und jetzt als Angestellte dieser Anstalt ihr täglich Brot verdienen. Es war kein gewöhnlicher Schultag. Das Bild, das wir uns jetzt von der ehemaligen DDR machen können, ist tiefgründiger geworden und die Abschlussworte von Mario Falcke, dass wir die Politik nicht ihrem Schicksal überlassen sollen, sondern dass es wichtig ist, für Freiheit und Demokratie einzutreten und sie mit Leben zu füllen, klingen immer noch nach.
Julia Müller, Julia Schälicke, Daniel Gimbatschki, Klasse 10a des Wolkenberg Gymnasiums Michendorf
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